Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir, wie der Winter, der eben geht. Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter, dass, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht. Sei immer tot in Eurydike [—, singender steige,]1 preisender steige zurück in den reinen Bezug. Hier, unter Schwindenden, sei, im Reiche der Neige, sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug. Sei — und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung, den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung, dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal. Zudemgebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen, zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.
Drei Sonette an Orpheus
Song Cycle by Christian Holmqvist (b. 1974)
1. Sei allem Abschied vorran  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 13
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View original text (without footnotes)Confirmed with Rainer Maria Rilke, Die Sonette an Orpheus, Leipzig: Insel-Verlag, 1923
1 omitted by Birtwistle.Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Errichtet keinen Denkstein  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Errichtet keinen Denkstein. Laßt die Rose nur jedes Jahr zu seinen Gunsten blühn. Denn Orpheus ists. Seine Metamorphose in dem und dem. Wir sollen uns nicht mühn um andre Namen. Ein für alle Male ists Orpheus, wenn es singt. Er kommt und geht. Ists nicht schon viel, wenn er die Rosenschale um ein Paar Tage manchmal übersteht? O wie er schwinden muß, daß ihrs begrifft! Und wenn ihm selbst auch bangte, daß er schwände. Indem sein Wort das Hiersein übertrifft, ist er schon dort, wohin ihrs nicht begleitet. Der Leier Gitter [zwingt]1 ihm nicht die Hände. Und er gehorcht, indem er überschreitet.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 5
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Knut W. Barde) , "Sonnet to Orpheus", copyright ©, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
1 Birtwistle: "zwängt"
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
3. Giebt est wirklich die Zeit, die zerstörende?  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Gibt es wirklich die Zeit, die zerstörende? Wann, auf dem ruhenden Berg, zerbricht sie die Burg? Dieses Herz, das unendlich den Göttern gehörende, wann vergewaltigt's der Demiurg? Sind wir wirklich so ängstlich Zerbrechliche, wie das Schicksal uns wahr machen will? Ist die Kindheit, die tiefe, versprechliche in den Wurzeln—später—still? Ach, das Gespenst des Vergänglichen, durch den arglos Empfänglichen geht es, als wär es ein Rauch. Als die, die wir sind, als die Treibenden, gelten wir doch bei bleibenden Kräften als göttlicher Brauch.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 27
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Die Sonette an Orpheus, Leipzig: Insel-Verlag, 1923
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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