Seltsam verlächelnd schob der Laborant den Kolben fort, der halbberuhigt rauchte. Er wusste jetzt, was er noch brauchte, damit der sehr erlauchte Gegenstand da drin entstände. Zeiten brauchte er, Jahrtausende für sich und diese Birne in der es brodelte; im Hirn Gestirne und im Bewusstsein mindestens das Meer. Das Ungeheuere, das er gewollt, er ließ es los in dieser Nacht. Es kehrte zurück zu Gott und in sein altes Maß; er aber, lallend wie ein Trunkenbold, lag über dem Geheimfach und begehrte den Brocken Gold, den er besaß.
Rilkegesangen
Song Cycle by John Rodby (b. 1944)
1. Der Alchimist  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Alchimist", written 1907, appears in Der neuen Gedichte anderer Teil
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Der neuen Gedichte anderer Teil, Leipzig : Insel-Verlag, 1918, p.29
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Dame auf einem Balkon  [sung text not yet checked]
Plötzlich tritt sie, in den Wind gehüllt, licht in Lichtes, wie herausgegriffen, während jetzt die Stube wie geschliffen hinter ihr die Türe füllt dunkel wie der Grund einer Kamee, die ein Schimmern durchlässt durch die Ränder; und du meinst der Abend war nicht, ehe sie heraustrat, um auf das Geländer noch ein wenig von sich fortzulegen, noch die Hände, -- um ganz leicht zu sein: wie dem Himmel von den Häuserreihn hingereicht, von allem zu bewegen.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Dame auf einem Balkon", appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig : Insel-Verlag, 1907, p.87
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Das Karussell  [sung text not yet checked]
Mit einem Dach und seinem Schatten dreht sich eine kleine Weile der Bestand von bunten Pferden, alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht. Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wann ein weißer Elefant. Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald, nur daß er einen Sattel trägt und drüber ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt. Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge und hält sich mit der kleinen heißen Hand, dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant. Und auf den Pferden kommen sie vorüber, auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge schauen sie auf, irgendwohin, herüber - Und dann und wann ein weißer Elefant. Und das geht hin und eilt sich, daß es endet, und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel. Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet, ein kleines kaum begonnenes Profil -. Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet, ein seliges, das blendet und verschwendet an dieses atemlose blinde Spiel...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Das Karussell", subtitle: "Jardin du Luxembourg", appears in Neue Gedichte, first published 1892
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Le carrousel", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
4. Eine Welke  [sung text not yet checked]
Leicht, wie nach ihrem Tode trägt sie die Handschuh, das Tuch. Ein Duft aus ihrer Kommode verdrängte den lieben Geruch, an dem sie sich früher erkannte. Jetzt fragte sie lange nicht, wer sie sei (: eine ferne Verwandte), und geht in Gedanken umher und sorgt für ein ängstliches Zimmer, das sie ordnet und schont, weil es vielleicht noch immer dasselbe Mädchen bewohnt.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]5. Spanische Tänzerin  [sung text not yet checked]
Wie in der Hand ein Schwefelzündholz, weiß, eh es zur Klamme kommt, nach allen Seiten zuckende Zungen streckt—: beginnt im Kreis naher Beschauer hastig, hell und heiß ihr runder Tanz sich zuckend auszubreiten. Und plötzlich ist er Flamme ganz und gar. Mit ihrem Blick entzündet sie ihr Haar und dreht auf einmal mit gewagter Kunst ihr ganzes Kleid in diese Feuersbrunst, aus welcher sich, wie Schlangen, die erschrecken, die nackten Arme wach und klappernd strecken. Und dann: als würde ihr das Feuer knapp, nimmt sie es ganz zusamm und wirft es ab sehr herrisch, mit hochmütiger Gebärde und schaut: da liegt es rasend auf der Erde und flammt noch immer und ergibt sich nicht—. Doch sieghaft, sicher und mit einem süßen grüßenden Lächeln hebt sie ihr Gesicht und stampft es aus mit kleinen festen Füßen.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Spanische Tänzerin", appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig: Insel-Verlag, 1920
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6. Strophen  [sung text not yet checked]
Ist einer, der nimmt alle in die Hand, daß sie wie Sand durch seine Finger rinnen. Er wählt die schönsten aus den Königinnen und läßt sie sich in weißen Marmor hauen, still liegend in des Mantels Melodie; und legt die Könige zu ihren Frauen, gebildet aus dem gleichen Stein wie sie. Ist einer, der nimmt alle in die Hand, daß sie wie schlechte Klingen sind und brechen. Er ist kein Fremder, denn er wohnt im Blut, das unser Leben ist und rauscht und ruht. Ich kann nicht glauben, daß er Unrecht tut; doch hör ich viele Böses von ihm sprechen.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Strophen", appears in Das Buch der Bilder, first published 1920
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Strophes", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
7. Letzter Abend  [sung text not yet checked]
(Aus dem Besitze Frau Nonnas) Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train des ganzen Heeres zog am Park vorüber. Er aber hob den Blick vom Clavecin und spielte noch und sah zu ihr hinüber beinah wie man in einen Spiegel schaut: so sehr erfüllt von seinen jungen Zügen und wissend, wie sie seine Trauer trügen, schön und verführender bei jedem Laut. Doch plötzlich wars, als ob sich das verwische: sie stand wie mühsam in der Fensternische und hielt des Herzens drängendes Geklopf. Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische. Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische der schwarze Tschako mit dem Totenkopf.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Letzter Abend", appears in Neue Gedichte, first published 1892
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Dernier soir", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
8. Erinnerung  [sung text not yet checked]
Und du wartest, erwartest das Eine, das dein Leben unendlich vermehrt; das Mächtige, Ungemeine, das Erwachen der Steine, Tiefen, dir zugekehrt. Es dämmern im Bücherständer die Bände in Gold und Braun; und du denkst an durchfahrene Länder, an Bilder, an die Gewänder wiederverlorener Fraun. Und da weißt du auf einmal: das war es. Du erhebst dich, und vor dir steht eines vergangenen Jahres Angst und Gestalt und Gebet.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Erinnerung", appears in Das Buch der Bilder, first published 1920
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Souvenir", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission