Du meine heilige Einsamkeit, du bist so reich und rein und weit wie ein erwachender Garten. Meine heilige Einsamkeit du -- halte die [goldene Türe]1 zu, vor denen die Wünsche warten.
Du meine heilige Einsamkeit
Song Cycle by Wilfried Hiller
1. Einsamkeit  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Advent, in Gaben. An verschiedene Freunde, no. 2
See other settings of this text.
View original text (without footnotes)Confirmed with Rainer Maria Rilke, Erste Gedichte, Leipzig: Insel-Verlag, 1918
1 Hiller (in "Prolog"): "goldenen Türen"Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Pietà  [sung text not yet checked]
So seh ich, Jesus, deine Füße wieder, die damals eines Jünglings Füße waren, da ich sie bang entkleidete und wusch; wie standen sie verwirrt in meinen Haaren und wie ein weißes Wild im Dornenbusch. So seh ich deine niegeliebten Glieder zum erstenmal in dieser Liebesnacht. Wir legten uns noch nie zusammen nieder, und nun wird nur bewundert und gewacht. Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen –: Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen. Dein Herz steht offen und man kann hinein: das hätte dürfen nur mein Eingang sein. Nun bist du müde, und dein müder Mund hat keine Lust zu meinem wehen Munde -. O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde? Wie gehn wir beide wunderlich zugrund.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Pietà", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Project Gutenberg, 2022
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Der Tod ist groß  [sung text not yet checked]
Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Schlußstück", appears in Das Buch der Bilder, first published 1920
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "Conclusió", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Salvador Pila) , "Conclusion", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Mathias Rüegg) , copyright ©
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Finale", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
4. Sie war schon Wurzel  [sung text not yet checked]
Das war der Seelen wunderliches Bergwerk. Wie stille Silbererze gingen sie als Adern durch sein Dunkel. Zwischen Wurzeln entsprang das Blut, das fortgeht zu den Menschen, und schwer wie Porphyr sah es aus im Dunkel. Sonst war nichts Rotes. Felsen war da und wesenlose Wälder. Brücken über Leeres und jener große graue, blinde Teich, der über seinem fernen Grunde hing wie Regenhimmel über einer Landschaft. Und zwischen Wiesen, sanft und voller Langmut erschien des einen Weges blasser Streifen wie eine lange Bleiche hingelegt. Und dieses einen Weges kamen sie. Voran der schlanke Mann im blauen Mantel, der stumm und ungeduldig vor sich aussah. Ohne zu kauen fraß sein Schritt den Weg in großen Bissen; seine Hände hingen schwer und verschlossen aus dem Fall der Falten und wußten nicht mehr von der leichten Leier, die in die Linke eingewachsen war wie Rosenranken in den Ast des Ölbaums. Und seine Sinne waren wie entzweit : indes der Blick ihm wie ein Hund vorauslief, umkehrte, kam und immer wieder weit und wartend an der nächsten Wendung stand, blieb sein Gehör wie ein Geruch zurück. Manchmal erschien es ihm, als reichte est bis an das Gehen jener beiden andern, die folgen sollten diesen ganzen Aufstieg. Dann wieder war's nur seines Steigens Nachklang und seines Mantels Wind was hinter ihm war. Er aber sagte sich, sie kämen doch; sagte es laut und hörte sich verhallen. Sie kämen doch, nur wären's zwei die furchtbar leise gingen. Dürfte er sich einmal wenden (wäre das Zurückschaun nicht die Zersetzung dieses ganzen Werkes, das erst vollbracht wird), müßte er sie sehen, die beiden Leisen, die ihm schweigend nachgehn : Den Gott des Ganges und der weiten Botschaft, die Reisehaube über hellen Augen, den schlanken Stab hertragend vor dem Leibe und flügelschlagend an den Fußgelenken ; und seiner linken Hand gegeben : sie. Die So-geliebte, daß aus einer Leier mehr Klage kam als je aus Klagefrauen ; daß eine Welt aus Klage ward, in der alles noch einmal da war: Wald und Tal und Weg und Ortschaft, Feld und Fluß und Tier; und da um diese Klage-Welt ganz so wie um die andre Erde eine Sonne und ein gestirnter stiller Himmel ging, ein Klagehimmel mit entstellten Sternen- : Diese So-geliebte. Sie aber ging an jenes Gottes Hand, den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern, unsicher, sanft und ohne Ungeduld. Sie war in sich wie Eine hoher Hoffnung und dachte nicht des Mannes der voranging und nicht des Weges, der ins Leben aufstieg. Sie war in sich. Und ihr Gestorbensein erfüllte sie wie Fülle. Wie eine Frucht von Süßigkeit und Dunkel, so war sie voll von ihrem großen Tode, der also neu war, daß sie nichts begriff. Sie war in einem neuen Mädchentum und unberührbar; ihr Geschlecht war zu wie eine junge Blume gegen Abend, und ihre Hände waren der Vermählung so sehr entwöhnt, daß selbst des leichten Gottes unendlich leise leitende Berührung sie kränkte wie zu sehr Vertraulichkeit. Sie war schon nicht mehr diese blonde Frau, die in des Dichters Liedern manchmal anklang, nicht mehr des breiten Bettes Duft und Eiland und jenes Mannes Eigentum nicht mehr. Sie war schon aufgelöst wie langes Haar und hingegeben wie gefallner Regen und ausgeteilt wie hundertfacher Vorrat. Sie war schon Wurzel. Und als plötzlich jäh der Gott sie anhielt und mit Schmerz im Ausruf die Worte sprach : Er hat sich umgewendet begriff sie nichts und sagte leise : Wer? Fern aber, dunkel vor dem klaren Ausgang, stand irgend jemand, dessen Angesicht nicht zu erkennen war. Er stand und sah, wie auf dem Streifen eines Wiesenpfades mit trauervollem Blick der Gott der Botschaft sich schweigend wandte, der Gestalt zu folgen, die schon zurückging dieses selben Weges, den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern, unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Orpheus, Eurydice, Hermes"
See other settings of this text.
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig: Insel-Verlag, 1907, p.88
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]