O was muß es die Engel gekostet haben, nicht aufzusingen plötzlich, wie man aufweint, da sie doch wußten: in dieser Nacht wird dem Knaben die Mutter geboren, dem Einen, der bald erscheint. Schwingend verschwiegen sie sich und zeigten die Richtung, wo, allein, das Gehöft lag des Joachim, ach, sie fühlten in sich und im Raum die reine Verdichtung, aber es durfte keiner nieder zu ihm. Denn die beiden waren schon so außer sich vor Getue. Eine Nachbarin kam und klugte und wußte nicht wie, und der Alte, vorsichtig, ging und verhielt das Gemuhe einer dunkelen Kuh. Denn so war es noch nie.
Das Marienleben
Song Cycle by Josep Soler i Sardà (1935 - 2022)
1. Geburt Maria  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Geburt Mariae", appears in Das Marien-Leben, no. 1, first published 1912
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "La naissance de Marie", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Nascita di Maria", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
2. Mariae Verkündigung  [sung text not yet checked]
Nicht daß ein Engel eintrat (das erkenn), erschreckte sie. Sowenig andre, wenn ein Sonnenstrahl oder der Mond bei Nacht in ihrem Zimmer sich zu schaffen macht, auffahren -, pflegte sie an der Gestalt, in der ein Engel ging, sich zu entrüsten; sie ahnte kaum, daß dieser Aufenthalt mühsam für Engel ist. (O wenn wir wüßten, wie rein sie war. Hat eine Hirschkuh nicht, die, liegend, einmal sie im Wald eräugte, sich so in sie versehn, daß sich in ihr, ganz ohne Paarigen, das Einhorn zeugte, das Tier aus Licht, das reine Tier.) Nicht, daß er eintrat, aber daß er dicht, der Engel, eines Jünglings Angesicht so zu ihr neigte: daß sein Blick und der, mit dem sie aufsah, so zusammenschlugen als wäre draußen plötzlich alles leer und, was Millionen schauten, trieben, trugen, hineingedrängt in sie: nur sie und er; Schaun und Geschautes, Aug und Augenweide sonst nirgends als an dieser Stelle -: sieh, dieses erschreckt. Und sie erschracken beide. Dann sang der Engel seine Melodie.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Mariae Verkündigung", appears in Das Marien-Leben, no. 3, first published 1912
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Annonciation", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "L'annunciazione di Maria", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
3. Vor der Passion  [sung text not yet checked]
O hast du dies gewollt, du hättest nicht durch eines Weibes Leib entspringen dürfen: Heilande muß man in den Bergen schürfen, wo man das Harte aus dem Harten bricht. Tut dirs nicht selber leid, dein liebes Tal so zu verwüsten? Siehe meine Schwäche; ich habe nichts als Milch- und Tränenbäche, und du warst immer in der Überzahl. Mit solchem Aufwand wardst du mir verheißen. Was tratst du nicht gleich wild aus mir hinaus? Wenn du nur Tiger brauchst, dich zu zerreißen, warum erzog man mich im Frauenhaus, ein weiches reines Kleid für dich zu weben, darin nicht einmal die geringste Spur von Naht dich drückt -: so war mein ganzes Leben, und jetzt verkehrst du plötzlich die Natur.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Vor der Passion", appears in Das Marien-Leben, no. 10, first published 1912
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Knut W. Barde) , "Before the Passion", copyright ©, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Avant la Passion", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Prima della passione", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
4. Pietà  [sung text not yet checked]
Jetzt wird mein Elend voll, und namenlos erfüllt es mich. Ich starre wie des Steins Inneres starrt. Hart wie ich bin, weiß ich nur Eins: Du wurdest groß -- . . . . . . und wurdest groß, um als zu großer Schmerz ganz über meines Herzens Fassung hinauszustehn. Jetzt liegst du quer durch meinen [Schooß, jetzt kann]1 ich dich nicht mehr gebären.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Pietà", appears in Das Marien-Leben, no. 11, first published 1912
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- ENG English (Sharon Krebs) , copyright © 2024, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Pieta", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Pietà", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Die Gedichte, Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1997, page 621.
1 Burghardt: "Schoß. / Jetzt kann"Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Sharon Krebs [Guest Editor]