Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: "Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" - Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht, Und hatte nicht geschrieben: Ob er gesund geblieben. Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn, Und machten endlich Friede; Und jedes Heer, mit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern. Und überall all überall, Auf Wegen und auf Stegen, Zog alt und jung dem Jubelschall Der Kommenden entgegen. Gottlob! rief Kind und Gattin laut, Willkommen! manche frohe Braut. Ach! aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren. Sie frug den Zug wohl auf und ab, Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab, Von allen, so da kamen. Als nun das Heer vorüber war, Zerraufte sie ihr Rabenhaar, Und warf sich hin zur Erde, Mit wütiger Gebärde. Die Mutter lief wohl hin zu ihr: - "Ach, daß sich Gott erbarme! Du trautes Kind, was ist mit dir?" - Und schloß sie in die Arme. - "O Mutter, Mutter! hin ist hin! Nun fahre Welt und alles hin! Bei Gott ist kein Erbarmen. O weh, o weh mir Armen!" - "Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an! Kind, bet ein Vaterunser! Was Gott tut, das ist wohlgetan. Gott, Gott erbarmt sich unser!" - "O Mutter, Mutter! Eitler Wahn! Gott hat an mir nicht wohlgetan! Was half, was half mein Beten? Nun ist's nicht mehr vonnöten." - "Hilf Gott, hilf! wer den Vater kennt, Der weiß, er hilft den Kindern. Das hochgelobte Sakrament Wird deinen Jammer lindern." - "O Mutter, Mutter! was mich brennt, Das lindert mir kein Sakrament! Kein Sakrament mag Leben Den Toten wiedergeben." - "Hör, Kind! wie, wenn der falsche Mann, Im fernen Ungerlande, Sich seines Glaubens abgetan, Zum neuen Ehebande? Laß fahren, Kind, sein Herz dahin! Er hat es nimmermehr Gewinn! Wann Seel und Leib sich trennen, Wird ihn sein Meineid brennen." - "O Mutter, Mutter! Hin ist hin! Verloren ist verloren! Der Tod, der Tod ist mein Gewinn! O wär ich nie geboren! Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus! Bei Gott ist kein Erbarmen. O weh, o weh mir Armen!" - "Hilf Gott, hilf! Geh nicht ins Gericht Mit deinem armen Kinde! Sie weiß nicht, was die Zunge spricht. Behalt ihr nicht die Sünde! Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid, Und denk an Gott und Seligkeit! So wird doch deiner Seelen Der Bräutigam nicht fehlen." - "O Mutter! Was ist Seligkeit? O Mutter! Was ist Hölle? Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit, Und ohne Wilhelm Hölle! - Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus! Ohn ihn mag ich auf Erden, Mag dort nicht selig werden." - - - So wütete Verzweifelung Ihr in Gehirn und Adern. Sie fuhr mit Gottes Vorsehung Vermessen fort zu hadern; Zerschlug den Busen, und zerrang Die Hand, bis Sonnenuntergang, Bis auf am Himmelsbogen Die goldnen Sterne zogen. Und außen, horch! ging's trapp trapp trapp, Als wie von Rosseshufen; Und klirrend stieg ein Reiter ab, An des Geländers Stufen; Und horch! und horch! den Pfortenring Ganz lose, leise, klinglingling! Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte: "Holla, Holla! Tu auf mein Kind! Schläfst, Liebchen, oder wachst du? Wie bist noch gegen mich gesinnt? Und weinest oder lachst du?" - "Ach, Wilhelm, du? - - So spät bei Nacht? - - Geweinet hab ich und gewacht; Ach, großes Leid erlitten! Wo kommst du hergeritten?" - "Wir satteln nur um Mitternacht. Weit ritt ich her von Böhmen. Ich habe spät mich aufgemacht, Und will dich mit mir nehmen." - "Ach, Wilhelm, erst herein geschwind! Den Hagedorn durchsaust der Wind, Herein, in meinen Armen, Herzliebster, zu erwarmen!" - "Laß sausen durch den Hagedorn, Laß sausen, Kind, laß sausen! Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn. Ich darf allhier nicht hausen. Komm, schürze, spring und schwinge dich Auf meinen Rappen hinter mich! Muß heut noch hundert Meilen Mit dir ins Brautbett eilen." - "Ach! wolltest hundert Meilen noch Mich heut ins Brautbett tragen? Und horch! es brummt die Glocke noch, Die elf schon angeschlagen." - "Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell. Wir und die Toten reiten schnell. Ich bringe dich, zur Wette, Noch heut ins Hochzeitbette." - "Sag an, wo ist dein Kämmerlein? Wo? Wie dein Hochzeitbettchen?" - "Weit, weit von hier! - - Still, kühl und klein! - - Sechs Bretter und zwei Brettchen!" - "Hat's Raum für mich?" - "Für dich und mich! Komm, schürze, spring und schwinge dich! Die Hochzeitgäste hoffen; Die Kammer steht uns offen." - Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang Sich auf das Roß behende; Wohl um den trauten Reiter schlang Sie ihre Liljenhände; Und hurre hurre, hopp hopp hopp! Ging's fort in sausendem Galopp, Daß Roß und Reiter schnoben, Und Kies und Funken stoben. Zur rechten und zur linken Hand, Vorbei vor ihren Blicken, Wie flogen Anger, Heid und Land! Wie donnerten die Brücken! - "Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell! Hurra! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" - "Ach nein! - - Doch laß die Toten! - Was klang dort für Gesang und Klang? Was flatterten die Raben? - - Horch Glockenklang! horch Totensang: "Laßt uns den Leib begraben!" Und näher zog ein Leichenzug, Der Sarg und Totenbahre trug. Das Lied war zu vergleichen Dem Unkenruf in Teichen. "Nach Mitternacht begrabt den Leib, Mit Klang und Sang und Klage! Jetzt führ ich heim mein junges Weib. Mit, mit zum Brautgelage! Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor, Und gurgle mir das Brautlied vor! Komm, Pfaff, und sprich den Segen, Eh wir zu Bett uns legen!" - Still, Klang und Sang. - - Die Bahre schwand. - - Gehorsam seinem Rufen, Kam's, hurre hurre! nachgerannt, Hart hinter's Rappen Hufen. Und immer weiter, hopp hopp hopp! Ging's fort in sausendem Galopp, Daß Roß und Reiter schnoben, Und Kies und Funken stoben. Wie flogen rechts, wie flogen links, Gebirge, Bäum und Hecken! Wie flogen links, und rechts, und links Die Dörfer, Städt und Flecken! - "Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell! Hurra! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" - "Ach! Laß sie ruhn, die Toten!" - Sieh da! sieh da! Am Hochgericht Tanzt' um des Rades Spindel Halb sichtbarlich bei Mondenlicht, Ein luftiges Gesindel. - "Sasa! Gesindel, hier! Komm hier! Gesindel, komm und folge mir! Tanz uns den Hochzeitreigen, Wann wir zu Bette steigen!" - Und das Gesindel husch husch husch! Kam hinten nachgeprasselt, Wie Wirbelwind am Haselbusch Durch dürre Blätter rasselt. Und weiter, weiter, hopp hopp hopp! Ging's fort in sausendem Galopp, Daß Roß und Reiter schnoben, Und Kies und Funken stoben. Wie flog, was rund der Mond beschien, Wie flog es in die Ferne! Wie flogen oben über hin Der Himmel und die Sterne! - "Graut Liebchen auch? - - Der Mond scheint hell! Hurra! die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" - "O weh! Laß ruhn die Toten!" - - - "Rapp'! Rapp'! Mich dünkt der Hahn schon ruft. - - Bald wird der Sand verrinnen - - Rapp'! Rapp'! Ich wittre Morgenluft - - Rapp'! Tummle dich von hinnen! - Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf! Das Hochzeitbette tut sich auf! Die Toten reiten schnelle! Wir sind, wir sind zur Stelle." - - - Rasch auf ein eisern Gittertor Ging's mit verhängtem Zügel. Mit schwanker Gert' ein Schlag davor Zersprengte Schloß und Riegel. Die Flügel flogen klirrend auf, Und über Gräber ging der Lauf. Es blinkten Leichensteine Rundum im Mondenscheine. Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick, Huhu! ein gräßlich Wunder! Des Reiters Koller, Stück für Stück, Fiel ab, wie mürber Zunder. Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf, Zum nackten Schädel ward sein Kopf; Sein Körper zum Gerippe, Mit Stundenglas und Hippe. Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp', Und sprühte Feuerfunken; Und hui! war's unter ihr hinab Verschwunden und versunken. Geheul! Geheul aus hoher Luft, Gewinsel kam aus tiefer Gruft. Lenorens Herz, mit Beben, Rang zwischen Tod und Leben. Nun tanzten wohl bei Mondenglanz, Rundum herum im Kreise, Die Geister einen Kettentanz, Und heulten diese Weise: "Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht! Mit Gott im Himmel hadre nicht! Des Leibes bist du ledig; Gott sei der Seele gnädig!"
Balladen vom Tod
by Emil Mattiesen (1875 - 1939)
1. Lenore  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Gottfried August Bürger (1747 - 1794), "Lenore"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRI Frisian (Jan Cornelis Pieters Salverda) , "Lenore", in Hiljuwns Uwren, first published 1834
2. Der Glockenguss zu Breslau  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
War einst ein Glockengießer Zu Breslau in der Stadt, Ein ehrenwerter Meister Gewandt in Rat und Tat. Er hatte schon gegossen Viel Glocken, gelb und weiß, Für Kirchen und Kapellen, Zu Gottes Lob und Preis. Und seine Glocken klangen So voll, so hell, so rein; Er goss auch Lieb und Glauben Mit in die Form hinein. Doch aller Glocken Krone, Die er gegossen hat, Das ist die Sünderglocke Zu Breslau in der Stadt. Im Magdalenenturme Da hängt das Meisterstuck, Rief schon manch starres Herze Zu seinem Gott zurück. Wie hat der gute Meister So treu das Werk bedacht! Wie hat er seine Hände Gerührt bei Tag und Nacht! Und als die Stunde kommen, Dass alles fertig war, Die Form ist eingemauert, Die Speise gut und gar; Da ruft er seinen Buben Zur Feuerwacht herein: „Ich lass auf kurze Weile Beim Kessel dich allein, Will mich mit einem Trunke Noch stärken zu dem Guss, Das gibt der zähen Speise Erst einen vollen Fluss! Doch hüte dich, und rühre Den Hahn mir nimmer an: Sonst wär es um dein Leben, Fürwitziger, getan!“ Der Bube steht am Kessel, Schaut in die Glut hinein: Das wogt und wallt und wirbelt Und will entfesselt sein – Und zischt ihm in die Ohren Und zuckt ihm durch den Sinn Und zieht an allen Fingern Ihn nach dem Hahne hin. Er fühlt ihn in den Händen, Er hat ihn umgedreht; Da wird ihm angst und bange, Er weiß nicht, was er tät – Und läuft hinaus zum Meister, Die Schuld ihm zu gestehn, Will seine Knie umfassen Und ihn um Gnade flehn. Doch wie der nur vernommen Des Knaben erstes Wort, Da reißt die kluge Rechte Der jähe Zorn ihm fort. Er stößt sein scharfes Messer Dem Buben in die Brust, Dann stürzt er nach dem Kessel, Sein selber nicht bewusst. Vielleicht, dass er noch retten, Den Strom noch hemmen kann – Doch sieh, der Guss ist fertig, Es fehlt kein Tropfen dran. Da eilt er abzuräumen, Und sieht, und wills nicht sehn, Ganz ohne Fleck und Makel Die Glocke vor sich stehn. Der Knabe liegt am Boden, Er schaut sein Werk nicht mehr; Ach, Meister, wilder Meister, Du stießest gar zu sehr! Er stellt sich dem Gerichte, Er klagt sich selber an. Es tut den Richtern wehe Wohl um den wackern Mann; Doch kann ihn keiner retten, Und Blut will wieder Blut. Er hört sein Todesurteil Mit ungebeugtem Mut. Und als der Tag gekommen, Dass man ihn fährt hinaus, Da wird ihm angeboten Der letzte Gnadenschmaus. „Ich dank‘ euch“, spricht der Meister „lhr Herren lieb und wert; Doch eine andre Gnade Mein Herz von euch begehrt: Lasst mich nur einmal hören Der neuen Glocke Klang! Ich hab‘ sie ja bereitet, Möcht wissen, ob’s gelang.“ Die Bitte ward gewähret, Sie schien den Herrn gering; Die Glocke ward geläutet, Als er zum Tode ging. Der Meister hört sie klingen So voll, so hell, so rein! Die Augen gehn ihm über, Es muss vor Freude sein. Und seine Blicke leuchten, Als wären sie verklärt; Er hat in ihrem Klange Wohl mehr als Klang gehört. Hat auch geneigt den Nacken Zum Streich voll Zuversicht, Und was der Tod versprochen, Das bricht das Leben nicht. Das ist der Glocken Krone, Die er gegossen hat, Die Magdalenenglocke Zu Breslau in der Stadt. Die ward zur Sünderglocke Seit jenem Tag geweiht; Weiß nicht, ob’s anders worden, In dieser neuen Zeit.
Text Authorship:
- by Wilhelm Müller (1794 - 1827), "Der Glockenguß von Breslau"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Pidder Lüng  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
„Frii es de Feskfang, Frii es de Jaght, Frii es de Strönthgang, Frii es de Naght, Frii es de See, de wilde See En de Hörnemmer Rhee.“ Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch, Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch: Heut fahr ich selbst hinüber nach Sylt, Und hol mir mit eigner Hand Zins und Gült. Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen, Sollen sie Nasen und Ohren lassen, Und ich höhn ihrem Wort: Lewwer duad üs Slaav. Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt, Stützt sich finster auf sein langes Schwert. Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit, Steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit. Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken. Der Obrigkeit helf ich, die Frevler packen, In den Pfuhl das Wort: Lewwer duad üs Slaav. Gen Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt, Ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt. Und es knirschen die Kiele auf den Sand, Und der Ritter, der Priester springen ans Land, Und waffenrasselnd hinter den beiden. Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden. Nun gilt es, Friesen: Lewwer duad üs Slaav! Die Knechte umzingeln das erste Haus, Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster heraus. Der Ritter, der Priester treten allein Über die ärmliche Schwelle hinein. Des langen Peters starkzählige Sippe Sitzt grad an der kargen Mittagskrippe. Jetzt zeige dich, Pidder: Lewwer duad üs Slaav! Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn, Der Priester will anheben seinen Sermon. Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt, Daß wir euch stören bei euerm Essen, Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen, Und euer Spruch ist ein Dreck: Lewwer duad üs Slaav. Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum: Henning Pogwisch, halt deine Reden im Zaum. Wir waren der Steuern von jeher frei, Und ob du sie wünschst, ist uns einerlei. Zieh ab mit deinen Hungergesellen, Hörst du meine Hunde bellen? Und das Wort bleibt stehn: Lewwer duad üs Slaav! Bettelpack, fährt ihn der Amtmann an, Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann: Du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf, Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf. Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken, Und verkriecht sich hinter des Eisernen Rücken. O Wort, geh nicht unter: Lewwer duad üs Slaav! Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an, Immer heftiger in Wut gerät der Tyrann, Und er speit in den dampfenden Kohl hinein: Nun geh an deinen Trog, du Schwein. Und er will, um die peinliche Stunde zu enden, Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden. Dumpf dröhnts von drinnen: Lewwer duad üs Slaav! Einen einzigen Sprung hat Pidder gethan, Er schleppt an den Napf den Amtmann heran, Und taucht ihm den Kopf ein, und läßt ihn nicht frei, Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei, Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern, Brüllt er, die Thüren und Wände zittern, Das stolzeste Wort: Lewwer duad üs Slaav! Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß, Die Häscher stürmen mit höllischem Gruß, Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort, In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord. Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben, Ruft noch einmal im Leben, im Sterben Sein Herrenwort: Lewwer duad üs Slaav !
Text Authorship:
- by Detlev von Liliencron (1844 - 1909), "Pidder Lüng"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]4. Der Bettler und sein Hund  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
»Drei Taler erlegen für meinen Hund! So schlage das Wetter mich gleich in den Grund! Was denken die Herrn von der Polizei? Was soll nun wieder die Schinderei? Ich bin ein alter, ein kranker Mann, Der keinen Groschen verdienen kann; Ich habe nicht Geld, ich habe nicht Brot, Ich lebe ja nur von Hunger und Not. Und wann ich erkrankt, und wann ich verarmt, Wer hat sich da noch meiner erbarmt? Wer hat, wann ich auf Gottes Welt Allein mich fand, zu mir sich gesellt? Wer hat mich geliebt, wann ich mich gehärmt? Wer, wann ich fror, hat mich gewärmt? Wer hat mit mir, wann ich hungrig gemurrt, Getrost gehungert und nicht geknurrt? Es geht zur Neige mit uns zwein; Es muß, mein Tier, geschieden sein! Du bist, wie ich, nun alt und krank; Ich soll dich ersäufen, das ist der Dank! Das ist der Dank, das ist der Lohn! Dir geht’s wie manchem Erdensohn. Zum Teufel! ich war bei mancher Schlacht; Den Henker hab ich noch nicht gemacht. Das ist der Strick, das ist der Stein, Das ist das Wasser, – es muß ja sein. Komm her, du Köter, und sieh mich nicht an, Noch nur ein Fußstoß, so ist es getan!« Wie er in die Schlinge den Hals ihm gesteckt, Hat wedelnd der Hund die Hand ihm geleckt; Da zog er die Schlinge sogleich zurück Und warf sie schnell um sein eigen Genick. Und tat einen Fluch, gar schauderhaft, Und raffte zusammen die letzte Kraft Und stürzt‘ in die Flut sich, die tönend stieg, Im Kreise sich zog und über ihm schwieg. Wohl sprang der Hund zur Rettung hinzu, Wohl heult‘ er die Schiffer aus ihrer Ruh, Wohl zog er sie winselnd und zerrend her; Wie sie ihn fanden, da war er nicht mehr. Er ward verscharret in stiller Stund, Es folgt‘ ihm winselnd nur der Hund; Der hat, wo den Leib die Erde deckt, Sich hingestreckt und ist da verreckt.
Text Authorship:
- by Adelbert von Chamisso (1781 - 1838), "Der Bettler und sein Hund"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]5. Lord Athol  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Lord Athol kniet im Beichtstuhl Vor dem Bischof von Aberdeen: »Frommer Bischof, ich fühl' ein Feuer In Mark und Adern glühn. O lösch mit Gebet und Gnade Mir das Feuer im Herzen aus – Unter weißen Schlehn im Walde Stand ein einsam Jägerhaus. Es stand im Wald unter weißen Schlehn, Seit drei Nächten steht es nicht mehr, Ich legte Stroh und Reisig Und Strauchwerk rings umher. Die Flammen verzehrten alles, Das Haus und den Mönch und mein Kind, Sie liebten sich, sie küßten sich, Ihre Asche hat der Wind.« Der fromme Bischof von Aberdeen Hat sich seufzend abgekehrt: »Lord Athol, ich kann nicht löschen Das Feuer, das dich verzehrt. Deiner Tochter stille Asche, Die hinweht über die Flur, Sie flüstert von deiner Sünde Wider Gott und die Natur. Und die sündige Seele des Mönches, Die jetzt in Flammen kreist, Schreit auf über deine Untat Wider Gott und den heiligen Geist. Die Schuld hinweg zu waschen, Hat die Welt nur einen Strom – Brich auf und wirf dich nieder Vor dem heiligen Vater in Rom.« Lord Athol nahm eines Pilgers Kleid, Zog hin über Land und Meer, Er trat in die Peterskirche – Viel Tausend knieten umher. Der Papst, in Gold und Purpur, Stand da mit verklärtem Gesicht- Es war am Gründonnerstage, Wo er Worte des Segens spricht. Und als er der Segensworte Allerheiligstes nun begann, Da begann seine Stimme zu beben, Und ein Schauer faßte ihn an; Und der Kelch in seiner Rechten Entglitt seiner zitternden Hand – Es rollten die roten Tropfen Hin über den weißen Sand. Todblaß der heilige Vater, Vor Entsetzen stand er da, Dann hob er mit Macht seine Stimme: »Ein Verfluchter ist uns nah! Er hat nicht teil am Segen Und nicht teil an Christi Huld, Der Kelch mit dem Blute des Heilands Erbebte vor seiner Schuld. Unseliger, flieh! diese Wände, Sie haben für dich nicht Raum!« – Lord Athol schwankte von dannen, Seine Füße trugen ihn kaum. Er schritt ans Meer, zu Schiffe, Es kamen Ebb' und Flut, Die Jahre kamen und gingen, Im Herzen blieb die Glut. Er kniete am heiligen Grabe, Er fuhr über Land und See, Die Jahre kamen und gingen, Im Herzen blieb das Weh. Und heimwärts endlich fuhr er Über Land und über Meer, Er trat in Hof und Halle, Und Hof und Halle war leer. Im Kamine lag tote Asche, Drüber hing seines Kindes Bild, Hing unter Staub und Spinnweb Und lächelte doch so mild. Und mild kam's über Lord Athol: »Ich kenn' eine stille Stell', Eine einsame Stell' im Walde, Da bau' ich Kirch' und Kapell'. Ich bau' sie mit eigenen Händen Und will schlafen auf Stein und Streu, Die Stätte, wo ich gefrevelt, Sei auch Stätte meiner Reu'.« Und Schloß und Hof und Halle Verließ er alsobald, Nacht dämmerte in den Zweigen, Da schritt er hinab in den Wald. Er kam an den Platz; über Trümmern Blühten wieder die weißen Schlehn – Auf dem Estrich, in grauer Kapuze, Sah einen Mönch er stehn. »Knie nieder zur Stell', Lord Athol, Ich kenn' deine Beichte schon, Knie nieder zur Stell', Lord Athol, Und empfange die Absolution.« »Wer bist du, dessen Freispruch An dieser Stätte mich sucht?« »Wer bist du, dessen Freispruch Wo der heilige Vater flucht?« »Bin ein Fremdling worden, Lord Athol, Mein Land ist fern und weit, Knie nieder zur Stell', knie nieder Und bete und sei bereit.« Lord Athol kniete lange, Tau fiel und Morgenduft, Der Fremde zerrann in Nebel, Und der Nebel zerrann in Luft. Im Walde sangen die Vögel, An den Zweigen hing Morgenrot, Lord Athol kniete noch immer – Sie fanden ihn kalt und tot.
Text Authorship:
- by Theodor Fontane (1819 - 1898), "Lord Athol"
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Confirmed with Theodor Fontane, Sämtliche Werke, Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, pages 290-293.
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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