by Ignaz Franz Castelli (1781 - 1862)
Das Echo
Language: German (Deutsch)
Herzliebe, gute Mutter! O grolle nicht mit mir, Du sahst den Hans mich küssen, Doch ich kann nichts dafür, Ich will dir Alles sagen, Doch habe nur Geduld, Das Echo drauß' am Hügel Beim Bügel, Das ist an Allem Schuld. Ich saß dort auf der Wiese, Da hat er mich gesehn, Doch blieb er ehrerbietig Hübsch in der Ferne stehn, Und sprach: "Gern trät ich näher, Nähmst du's nicht übel auf; Sag', bin ich dir willkommen?" - "Kommen!" Rief schnell das Echo drauf. Dann kam er, - auf die Wiese Zu mir hin setzt' er sich, Hieß mich die schöne Lise, Und schlang den Arm um mich, Und bat, ich möcht' ihm sagen, Ob ich ihm gut kann seyn? Das wär ihm sehr erfreulich. "Freilich!" Rief schnell das Echo drein. Vergnügt sagt' er mir weiter, Er wäre mir schon oft Gefolgt von fern, und habe Zu sprechen mich gehofft, Doch fruchtlos war es immer, Denn macht' er's noch so fein, Bemerkt hätt' ich ihn nimmer. - "Immer!" Fiel schnell das Echo ein. Dieß hörend hat er näher Zu rücken mir gewagt, Er glaubte wohl ich hätte Das Alles ihm gesagt: "Erlaubst du", sprach er zärtlich: "Daß ich als meine Braut Dich recht vom Herzen küsse?" "Küsse!" Schrie jetzt das Echo laut. Nun sieh, so ist's gekommen, Daß Hans mir gab den Kuß, Das böse, böse Echo, Es macht mir viel Verdruß, Und jetzo wird er kommen, Wirst sehen, sicherlich, Und wird von dir begehren In Ehren Zu seinem Weibe mich. Ist dir der Hans, lieb Mutter, Nicht recht zu meinem Mann, So sage, daß das Echo Ihm diesen Streich gethan; Doch glaubst du, daß wir passen Zu einem Ehepaar, Dann mußt du ihn nicht kränken, Mag denken Daß ich das Echo war.
Confirmed with I. F. Castelli's Gedichte. Einzige, vollständige Sammlung, in sechs Bänden. VI. Berlin, 1835. Verlag von Duncker und Humblot, pages 99-102.
Text Authorship:
- by Ignaz Franz Castelli (1781 - 1862), "Das Echo" [author's text checked 1 time against a primary source]
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Set in a modified version by Jeannette Antonie Bürde, née Milder, Erik Meyer-Helmund, Franz Peter Schubert.
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