by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins
Language: German (Deutsch)
Wie lange soll die Brunnenzeit Der gnädgen Tante dauren? Man muß in dieser Einsamkeit Ja ganz und gar versauren! Sie wird von Einfalt und Natur Mich noch zur Närrin schwatzen! Was schiert mich Hain und Quell und Flur, Und andre solche Fratzen! Des Abends hört man die Musik Der Frösch, und Heimchen schallen, Und das abscheuliche Gequiek Der dummen Nachtigallen, Von Mücken wird man dann gepurrt, Und wälzet sich im Bette; Der Haushahn kräht; der Hofhund knurrt, Und bellt, und zerrt die Kette! Und liegt man kaum im ersten Schlaf, Da geht es an ein Tuten! Da brüllt der Ochs! da blöckt das Schaf! Da wiehern Hengst und Stuten! Dann poltert Tante vor der Thür, Fängt heiser an zu krähen: Auf, Fräulein, auf! Du mußt mit mir Der Sonnen Aufgang sehen! Da giebts nicht Kaffee oder Thee, Noch Butterbrod mit Braten; Ganz nüchtern, und im Negligee, Muß man den Thau durchwaten! Zwo Stunden wenigstens muß ich Durch Dorn und Diesteln rennen, Und von der Sonnenhitze mich Zur Mohrin lassen brennen! Und läutet man Klock zwölf zu Tisch, So giebts nur Gras und Kräuter, Nur saure Milch, ein Stückchen Fisch, Ein Eychen, und so weiter. Der Grobian vom Sudelkoch Weiß nichts von Leckerbißchen! Zum Nachtisch kommt aufs höchste noch - Ein Teller voll Radießchen. Kein einzig Wörtchen hört man hier Von Triktrak, Dam und Karten: Zum Zeitvertreibe schlendern wir Ein Weilchen in den Garten. Hätt' ich nicht [noch den]1 Amadis, Mich zu desennüyiren; Ich müßte schier vor Ärgerniß Und [langer Weil]2 krepiren! Oft schleppen Ihre Gnaden gar Mich zu der Baurkanaille, Zu [Kerls]3 mit unfrisirtem Haar, Und Menschen ohne Taille. Besonders, wenn das Lumpenpack An Feyertagen kegelt; Da stinkt es von Swicenttaback! Da wird was rechts geflegelt! Und in der Kirche gar zu seyn, Das ist nun ganz abscheulich! Der Pfaffe predigt so gemein! Das Volk thut da so heilig! Was macht man da mit Stoff und Uhr, Mit Schmink' und Demantringen? Hans Hagel glaubt, man sey da nur Zum Beten und zum Singen! Vermaledeytes Einerley, Wirst du denn ewig dauren? O laß mich, lieber böser May, Zurück zu jenen Mauren! Ach seht doch, in der blauen Fern, Wie schön der Rauch sich hebet! Du liebe Stadt voll junger Herrn! Ach wie das Herz mir bebet!
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1 Kunzen: "Wielands"
2 Kunzen: "langeweil"
3 Kunzen: "Kerln
Research team for this text: Emily Ezust [Administrator] , Melanie Trumbull
1 Kunzen: "Wielands"
2 Kunzen: "langeweil"
3 Kunzen: "Kerln
Authorship
- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826), "Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins", appears in Oden und Lieder, first published 1776 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive)
- by Friedrich Gottlob Fleischer (1722 - 1806), "Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins", published 1777? [sung text not yet checked]
- by Friedrich Ludwig Æmelius Kunzen (1761 - 1817), "Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins", published 1788 [ voice and piano ], from Weisen und lyrische Gesänge, no. 16, Flensburg und Leipzig, in der Kortensche Buchhandlung, also set in Danish (Dansk) [sung text checked 1 time]
- by Johann Abraham Peter Schulz (1747 - 1800), "Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins", published 1790 [ voice and piano ], Berlin, Heinrich August Rottmann, Königlichem Hofbuchhändler [sung text not yet checked]
Settings in other languages, adaptations, or excerpts:
- Also set in Danish (Dansk), [adaptation] ; composed by Friedrich Ludwig Æmelius Kunzen.
Other available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- DAN Danish (Dansk) (Hans Wilhelm Riber) , "En Naadig Frökens Foraarsang", appears in Lyriske Sange
Research team for this text: Emily Ezust [Administrator] , Melanie Trumbull
This text was added to the website: 2005-07-05
Line count: 72
Word count: 375