Aria Die Zeit verzehrt die eignen Kinder viel geschwinder als sie die selbigen zur Welt geboren hat. Jahr, Monat, Wochen, Tag und Stunden sind, wenn sie sind, verschwunden; der Leib, der sie gebiert ist ihr gewisses Grab; die Mutter würgt sie selber ab und hort nicht auf und frisst und wird doch niemals satt. Recitative Der Anfang lieget stets beim Ende. Kaum bricht der lichte Tag hervor, so zieht die Nacht den braunene Flor den heitern Lüften an; sie nimmt den Schatten in die Hände, der auch sogar den Mittag selbst verdunkeln kann, und kehrt das Licht in Finsterniss. Ach, braucht den Tag! Die Nacht folgt bald, und dass gewiss. Aria Fahrt, reitet, spielt Karten, trinkt Koffee, raucht Knaster, sucht Scherz und Vergnügen, singt, tanzet und lacht! Macht euch lustig, aber wisset, dass ihr einst von euer Lust Red und Antwort geben müsset! Darum bleibet in den Schranken, nehmt dei Grenzen wohl in acht!
Moralische Kantaten
Cantata by Georg Philipp Telemann (1681 - 1767)
Translated to:
Italian (Italiano) — Cantate moralistiche (Amelia Maria Imbarrato)
English — Moralistic Cantatas (Michael P Rosewall)
1. Die Zeit
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- ENG English (Michael P Rosewall) , "Time", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "Il tempo", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission
2. Hoffnung
Aria Hoffe nur, geplagtes Herze, daß der Himmel nach dem Schmerze dich auch einst erfreuen kann! Weg mit ängstichen Gebärden! Der Verhängnis lässt mich nicht meiner Feinde Hohnlied werden, und ich höre, dass es spricht: Dir wird nächstens wohlgetan. Recitative Die Hoffnung stürzt mich noch, sonst läg ich wirklich schon; ihr angehnemer Ton verstopft mein Ohr vor jener bittern Melodie, mit der die Grillen bei der verdrüssliche Melancholie so Kopf als Herze füllen. Lass sein, mein Glücke wankt; draus folgt nicht, dass es fällt; die Hoffnung, die mich stets mit starken Armen hält, entreisst mich der Gefahr, von der ich ohne sie nicht zu befreien war. Aria Mein Glücke nimmt sich Zeit, drum lass ich mir's gefallen; es komme wenn es kommt, so nehm ich's freudig an. Kommt es nicht heute, so kommt es doch morgen; der Himmel wird mich doch versorgen; er weiss schon, dass ich warten kann.
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- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "La speranza", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission
3. Das Glück
Aria Guten Morgen, faules Glücke, steh auf und zieh dich an, es wird bald Mittag sein! Doch, ach, du bleibst bei deiner Mode und schläfst dich ganz gewiss nach endlich gar zur Tode; erwachst du gleich manchmal, so schlummerst du doch stets zu meiner grössten Qual wider mein Verhoffen ein. Recitative Erwache doch und reiss mich heute noch aus meiner vielen Sorgen! Warum verschiebest du den Abschnitt meiner Not bis morgen? Ich bin vielleicht wohl morgen tot. Doch, ihr Gedanken, still! Wenn ihr geduldig seid, wird euch zu seiner Zeit die Hoffnung frölich machen. Sie predigt mir bereits was Angenehmes vor und ruft und schreit mir in das Ohr: In kurzem wirst du glücklich sein. Aria Schlaf indessen, wertes Glücke, aber schlaf auch nicht zu lange! Denk doch einst an mich zürucke und vergnüge meine Qual, endlich doch einmal! Wo du mir's zu lange machst und nicht bald, nicht bald erwachst, macht mir endlich mit der Zeit deiner Blicke Schläfrigkeit das Leben feil, die Welt gedrange.
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- ENG English (Michael P Rosewall) , "Happiness", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "La fortuna", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission
4. Der Geiz
Aria Ihr Hungerleider, ruht einmal von eurer selbstgemachten Qual und höret auf zu fasten! Ihr seid zwar reich, doch auch dem ärmsten Bettler gleich bei euren vollen Kasten. Recitative Wem hebt ihr alles auf? Wem soll das grosse Gut, von dem ihr euch doch nihcts zugute tat? Wisst ihr es nihct, so dürft ihr mich nur fragen; hört her! Ich will's euch sagen: Ihr sammlet für lachende Erben, die mit der Zeit, nach eurem Sterben, auf euren Federn prächtig ruhn und alles auf einmal vertun. Ihr lebet arm und sterbet reich; ihr friert, damit sich andre einst an euren Kohlen wärmen können. Ach, sterbt nur! Das ersparte Holz wird einmal desto heller brennen. Aria Ihr Taler, lasst euch nicht verlangen! Wisst, der Erlösungstag bringt endlich doch herein! Der Henker, der euch in der Welt gefänglich eingebracht und in Verwahrung hält, sperrt, weil er sterben kann, euch nicht auf ewig ein.
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- ENG English (Michael P Rosewall) , "Stinginess", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "L'avarizia", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission
5. Die Falschheit
Aria Lasst mich über Falschheit klagen, die bis in die Seele kränkt. Höflich Bücken, glatte Wort spürt man an so manchem Orte, wo die Lippe trüglich sagen, was man heimlich anders denkt. Recitative Man sehe doch, mit welcher Freundlichkeit dort Philidor dem Stax den guten Abend beut: Sie küssen, sie umarmen sich, und ancher sollte schwören, dass sie ein ander Ich, ein einziges Herz in zweien Leibern wären. Geduld! Wir werden sie bald besser kennen. Schaut, wie sie sich so zärtlich trennen! Schleicht beiden nach! O weh, was hört man nicht! Stax schreit den Philidor von Haus zu Haus als einen Erzbetrüger aus, da der von jenem spricht, er sei der grösste böse Wicht. Aria Entweich von mir, verstellte Tücke! Du sollst von mir verbannet sein! Ich will mit treuem Herzen wandeln und gegen jedem redlich handeln; gereicht mir's gleich zum Ungelücke, so bleibt doch mein Gewissen rein.
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- ENG English (Michael P Rosewall) , "Falsehood", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "La falsità", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission
6. Grossmut
Aria Furchtsam weinen, ängstlich schweigen, wenn sich Donnerwolken zeigen, ist des Pöbels Eigenschaft. Feige Seelen martern sich durch ein niederträchtigs Zagen; aber wen die Grossmut stürzt, den kann nichts zu Boden tragen, den erhebt der Fall von aon aussen durch die innerliche Kraft. Recitative Ein Mann, der Raum im Herzen hat, wird von der Not gebeugt, doch niemals ganz zerbrochen; er hält sein Osterfest oft mitten in der Martewochen; er murret nicht, wenn sich das Schicksal grausam stellt. Warum? Er kennt den Unbestand des Glückes in der Welt. Aria Der Himmel führt die Seinen oft durch Schmerzen und Kummer, durch dünne, durch dicke. Bald zerrt aus sein Eifer die Treppen hinab, bald reicht uns die Hoffnung den tröstlichen Stab und lenkt uns und zieht uns die Stufen zurücke.
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- ENG English (Michael P Rosewall) , "Generosity", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Amelia Maria Imbarrato) , "Coraggio", copyright © 2005, (re)printed on this website with kind permission