Hinweg, wer kühn ins Heiligthum, Unreines Herzens, drang! Des Weins Erschaffer, ihm zum Ruhm Ertönt der Hochgesang! Es bebt der Saal in Götterglanz! Heil, Heil dir! guter Geist, Der uns, entwöhnt des niedern Tands, Durch Sturm und Wolken reißt! Du hast die Menschen zum Genuß Des Lebens erst geweiht, O namenreicher Genius Der edlern Menschlichkeit. Du lehrst, als Noah, als Osir, Die rohe Wildnis baun; Preis dir, Iao! Bacchus, dir! Erschallts von grünen Aun. Nach Beer' und Eichel, ungeschlacht, Durchbrach der Mensch den Wald, Kaum schlau zu Fischfang und zur Jagd, Und haust' in Kluft und Spalt. Sein Weib und Kind durchheult' um ihn Den Sturm, ohn' Hüll' und Glut; Oft naht' ein Feind, vom Hunger kühn, O Graun! und schwelgt' in Blut. Dein Lenz erschien: die Wilde traf Ein Lamm gesäugt am Bach; Sie reichte Klee dem frommen Schaf, Und blöckend folgt' es nach. Mit Heerd' und Hund durchschweifte man Forthin die öde Welt; Die Hirtin melkt' und sang und spann, Und wirthlich raucht' ihr Zelt. Schon milder, trennte schmerzhaft sich Vom schönen Thal die Schaar, Und ach vom Freund, der nachbarlich Ihr Trost und Umgang war. Da pflanztest du des Landes Frucht Ins schöne Thal hinein: Getreid' und Obst in reicher Zucht, Und Honig, Öl und Wein. Die Ordnung schmückte Dorf und Stadt, Vom schönen Volk umblüht, Die Kunst mit Meißel, Schnur und Rad, Der Weisheit Red' und Lied. Vom Staube lehrte himmelwärts Religion entfliehn; Und wonnevoll vernahm das Herz Der Sfären Harmonien. O weh' ihm, wessen Hand ein Glied Der Kette frech zerreißt, Die sanft empor zur Gottheit zieht Des Göttersohnes Geist! Ein Thier des Feldes, wühlt er nur Nach schnöder Sättigung; Ihn labte nie dein Reiz, Natur, Ihn nie des Liedes Schwung! Heil, Heil! erhabner Genius Der edlern Menschlichkeit, Der Sinn' und Herzen zum Genuß Urreiner Schöne weiht! Dir schwören wir beim Feiertrank Von neuem Biedermut; Und laut ertönts im Hochgesang: Seid menschlich, froh und gut!
Cäcilia, Viertes Stück
by Johann Friedrich Reichardt (1752 - 1814)
9. An den Genius der Menschlichkeit  [sung text not yet checked]
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826), "An den Genius der Menschlichkeit", appears in Oden und Lieder
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Confirmed with Gedichte von Johann Heinrich Voss, Zweiter Band, Königsberg, bei Friederich Nicolovius, 1795, pages 169-172.
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11. Die Sterne  [sung text checked 1 time]
Fleug' auf durch Gottes Sternenheere, mein wonnetrunk'ner Geist, hin, wo die letzt trübe Sphäre am grauen Chaos kreist! Wie hehr sich Millionen Himmel um Millionen Sonnen dreh'n! Wie hehr der Sonnen Glanzgewimmel sich dreht in ungemess'nen Höh'n! Entbrannt von Mutterlieb' umschweben sie, Gott, dein Angesicht, die Sonnen rings, und schöpfen Leben aus deinem Quell und Licht; und tränken Töchter jed' und Söhne, euch Erden, und ihr Monde weit. Ihr taumelt, satt der Kraft und Schöne, und donnert Gottes Herrlichkeit. O Vater, preist ihr hohen Klanges, du hüllest uns in Glanz und lehrest, froh des Preisgesanges, uns ew'gen Reigentanz! Den Felsenleib, durchströmt von Meeren, erschuf voll Keim' uns deine Hand, dass Pflanz' und Leben wir gebären und wimmeln Wasser, Luft und Land. Du schmückst der Berge Haupt mit Wäldern, mit Erz der Berge Schoß; du schenkest Gras und Korn den Feldern, der Wildnis Heid' und Moos! Vom Eis des Pols zum Sonnenfeuer, von Alpenhöh'n zur tiefsten Flut schwärmt zahmes Vieh und Ungeheuer, Gewürm und reger Vögel Brut! Doch herrschend ragt in seiner Stärke der Geist, in Staub gehüllt, das Wunder deiner Wunderwerke, der Mensch, dein Ebenbild. Er forscht und staunt, der Wesen Leiter, vom dunkeln Staub zum Engelchor, forscht auf und ab und schwingt sich weiter zu Weisheit und zu Lieb' empor! Du schwängerst, Gott, durch Not und Mühe des Menschen Geist mit Kraft, damit sein edler Keim entblühe zu heller Wissenschaft! Und wann, am Strahl des Lichts verschmachtet, die Wissenschaft zu Trägheit welkt, schnell stürmst du, dass die Heit're nachtet, Vom jähen Wahn und Trug umwölkt! Bald ringt der Geist empor zur Klarheit, der Urkraft sich bewusst, vertraut der selbsterrung'nen Wahrheit und ahndet Himmelsluft! Ihm lächelt selbst der Tod, ein Retter! Es dorre Laub, vom Herbst verstreut; es weh'n im Frühling junge Blätter; der Weise denkt Unsterblichkeit! Lobsingt durch aller Himmel Ferne! Ein Retter ist der Tod! Im Reigentanz, ihr Morgensterne, lobsinget unser'm Gott! Und Vorgefühl des besser'n Lebens durchschaur' ihn, sanft herabgetaut, wer durch die Nacht voll heißen Strebens empor zum Sternenhimmel schaut!
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
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Researcher for this page: Johann Winkler13. Das Begräbniß  [sung text checked 1 time]
O Mitternacht im Sternenschleier, stillschweigend, schauervoll und graus! Dem Toten, welcher naht, zur Feier geuß deines Dunkels Schrecken aus! Ach, unser Herz beugt tief der Schmerz, beugt tief der Andacht Ernst herab, dass heiß und mild die Träne quillt und starr die Seele staunt ins Grab. Der Zug in Flor und Mantel wallet zur letzten Menschenwohnung her; die Bahre schwebt, vom Turme hallet die dumpfe Totenglocke schwer. Mattdämmernd Licht der Fackeln bricht das Grau'n im düster'n Lindenkranz; Nur Leichenstein und morsch Gebein erblickt das Aug' im bleichen Glanz. Wie Gottes Winde weh'n und brausen, tönt leis' und stark der Orgel Mund und füllt in feierlichen Pausen der gotischen Gewölbe Rund. Sanft klagend schwebt die Stimm' und bebt, bald einzeln, bald in vollem Chor; entzückt nun reißt den trunk'nen Geist die Jubelharmonie empor. Empor zu Gott, der nicht für Kummer des Menschen Wunderbau beseelt, der uns nach kurzen Müh'n zum Schlummer den kühlen Schoß der Erde höhlt! Was weinen wir am Grabe hier? Voran nur ging der traute Freund! Bald flieht, wie Schaum, des Lebens Traum, und ewig sind wir dort vereint! Wohlan denn! Mische Staub zu Staube der Schaufeln dumpfer Wechselklang! Allweiser! Vater! ruft der Glaube, dir, Herr des Todes, Preis und Dank! Wer starb, entkam aus Sünd' und Gram, aus Torheit, Trug und eitlem Schein; er steht verklärt vor Gott und hört und stimmt ins Halleluja ein.
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
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Researcher for this page: Johann Winkler14. Die Veredelung  [sung text checked 1 time]
Der Geisteswildheit Nacht voll Grauen lag öd' und dumpf auf Deutschlands Gauen. Da wandte Gott sein Angesicht und rief herab: Es werde Licht! Die Nacht verdämmert, Dämm'rung schwindet! Der Wild', ein kaum belebter Kloß, wird Mensch, blickt um sich und empfindet, was wahr und edel ist und groß. Wir alle, wir alle, wir heben Herz und Hand! Es rufe Mann und Weib, das Kind am Busen lalle: Heil, Freiheit, dir! Heil, Vaterland! Vernunft, durch Willkür erst befehdet, doch kühn und kühner, singt und redet von Menschenrecht, von Bürgerbund, von aller Satzung Zweck und Grund. In Zauberschrift umhergeschwungen fliegt tausendfach der weise Schall, hat bald des Volkes Herz durchdrungen und schafft Gemeinsinn überall. Wir alle, wir alle etc. Nicht herrscht durch fremder Formeln düster hinfort Gerichtsherr oder Priester; das Volksgesetz wägt grad' und gleich Gerechtigkeit für Arm und Reich. Nicht mehr verfolgt wird Lehr' und Meinung, nicht gilt für Gottesdienst ein Brauch. Nur Lieb' ist aller Kirchen Einung, der Tempel und Moscheen auch. Wir alle, wir alle etc. Nur Tugend, nicht Geburt, gibt Würde, verteilt nach Kraft ist Amt und Bürde. Der bauet Kunst, Gewerb' und Saat, der schmückt den Geist, der Heer und Staat. Der gegen Feind' und Unterdrücker trägt Obermacht zu treuer Hut und gibt, des freien Volks Beglücker, ihm Rechenschaft von Hab' und Blut. Wir alle, wir alle etc. Was zittert ihr, der Staaten Wächter? Veredelt strebt das Volk, nicht schlechter! Vom Missbrauch nur genest der Thron, vom Wahne nur Religion! Die Fessel strengt ihr an? Vergebens! Zur Freiheit ruft uns unser Gott! Dem Geist im Vollgefühl des Strebens ist aller Welten Macht ein Spott! Wir alle, wir alle etc.
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
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Researcher for this page: Johann Winkler17. Entschlossenheit  [sung text checked 1 time]
Vorwärts, mein Geist, den schroffen Pfad, nicht träg' umhergeschauet! Dort oben winkt die Ruhestatt! Wohl auf, dir selbst vertrauet! Dich, Gottes Odem, du Verstand, in Staub gehüllt, hat Gottes Hand so wunderbar gebauet! Nicht ziemt dir's, edler Himmelssohn, an eitlem Schein zu haften! Dein würdig, tritt in Staub mit Hohn die nieder'n Leidenschaften. Und ob sie rechts und links nach Stolz, nach Sinnlichkeit, nach Durst des Golds die Freunde dir entraften! Dir, Wahrheit und Gerechtigkeit, dir schwör' ich Treu' auf immer! Vergebens lockt die Welt und dräut mit ihrem Trug und Schimmer! Sei noch so schlimm Gefahr und Not, Verachtung selbst, ja schnöder Tod: Unredlich sein ist schlimmer! Wir müssen, müssen vorwärts geh'n, wie Wahn und Trug auch toben! Uns hat, zum Himmel aufzuseh'n, Gott selbst das Haupt erhoben! D'rum wank' und fall' es links und rechts: Wir sind unsterblichen Geschlechts, das Vaterland ist oben! Ach, uns'rer Heimat eingedenk, lasst uns doch geh'n wie Brüder, in Lieb', ohn' Eifer und Gezänk, im Klange froher Lieder! Du kränkest mich aus Missverstand; komm, Lieber, reiche mir die Hand und tu es niemals wieder!
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
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Note for stanza 2 line 7 word 4 provided by Johann Winkler: "entraften", is not to be found in Grimm's dictionary (and therefore does not exist in the German language). As this word can be found in the Königsberg edition of 1802 (Voss) as well as in Reichhardt's Cäcilia edition of 1795, a misprint can be excluded. It may be that Voss used this word instead of "entraffen" for the sake of the rhyme, but this guess doesn't add much sense to the sentence. We will add more information as we discover it.
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18. Pfingstlied  [sung text checked 1 time]
Schmückt das Fest mit grünen Maien, dass wir vor unser'm Gott uns freuen! Er schmückt, wie eine Braut, das Jahr! Blumen streut durch alle Gänge! In Wies' und Garten blüht die Menge; mit Blumen prang' auch du, Altar! In hellem Chor lobsingt ihm, der das Jahr verjüngt, unser'm Vater! Trompetenklang schallt zum Gesang; zu Gottes Himmel steigt der Dank. Mann und Weib, ihr Greis' und Jüngsten, singt all'! Er gab uns frohe Pfingsten und sandt' uns seinen Geist herab! Alle froh in Festgewanden mit Sträußen, die wir frisch uns banden, so nah'n wir ihm, der Segen gab! Wer käme heut' nicht gern, dir dankend, unser'm Herrn? Dir, o Vater! Dir hallt Getön'; wie schön, wie schön schmückst du die Welt aus deinen Höh'n! Gott, er ging in Sturmesbrausen, dein Geist, und ging in lindem Sausen, befruchtend Garten, Wies' und Feld! Gott, er sank in warmem Regen, und ringsum grünt' und blühte Segen, vom warmen Sonnenschein erhellt! Aus fettem Gras und Kraut jauchzt rings der Herden Laut dir, o Vater! Aus grünem Spross, aus Heid' und Moos jauchzt dir der Vogel, klein und groß! Lange ward emporgeschauet zu dir, dem unser Herz vertrauet, mit rascher Arbeit und Gebet. Sanft bedeckt mit weißen Flocken beschirmtest du den zarten Rocken, den wir in lock'res Land gesät. Gedeih'n hast du gesandt, voll Halme grünt das Land dir, o Vater! Was Odem hat, singt früh und spat: Uns sättigt Gott mit reicher Saat! Traurig stand der Baum entlaubet, die Reb' auch, aller Zier beraubet; noch herrschte Frost und Ungestüm. Bald hieß Gott die Luft sich hellen; wir sah'n die Knospen täglich schwellen und blickten auf und dankten ihm. Schon blühet Baum und Strauch, schon rankt der Weinstock auch dir, o Vater! Seht, Baum an Baum treibt Birn' und Pflaum' und Kirsch' und Apfel unser'm Gaum'! So im Anfang lag die Erde, bevor der Vater sprach: Es werde! Sie lag im Dunkel, wüst und leer. Weit auf öden Wassern schwebte der Geist wie brütend und belebte die Millionen Keim' umher. Die Erd' im Sternenchor stieg auf und sang empor dir, o Vater! Im lichten Strahl trug Berg und Tal Gewächs' und Leben ohne Zahl! Gottes Geist, du Geist der Liebe, befrucht' auch uns'res Herzens Triebe, der großen Gaben wert zu sein! Geuß ins Herz der Liebe Flammen, dass wir wie Brüder hier beisammen in deinem Tempel uns erfreu'n! In Eintracht singen wir, ach, deine Kinder, dir, dir, o Vater! Gott gab uns gern! Gebt nah und fern den Brüdern auch und dankt dem Herrn!
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
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Researcher for this page: Johann Winkler19. Die Bewegung  [sung text not yet checked]
Und rauscht' auch alles umgedreht Dem Untergange zu; Der weise Mann am Wirbel steht Gedankenvoll in Ruh'. Die jetzt in wildem Sturz sich drehn, Die Wasser werden auferstehn. Der aller Dinger Maß und Ziel Zum Heil geordnet hat, Durchschaust du seines Thuns Gewühl? Warst du in seinem Rath? Der Sonn' und Mond im Gleis' erhält, Er weiß, wo jeder Tropfen fällt. Es stand der See, lang' eingehemmt, Und sumpft' in ödem Rohr; Von Fäulniß grünt' er, halb verschlämmt, Und hauchte Pest, und gohr. Der Ordner sah; sein Engel kam; Das Wasser bebt', und brach den Damm.
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- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826), "Die Bewegung"
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