Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund, Bewunderung und Liebe oder Haß dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund tragischer Klage wunderlich entstellt. Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen. Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen, spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt. Doch als du gingst, da brach in diese Bühne ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt, durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne, wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald. Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes hersagend und Gebärden dann und wann aufhebend; aber dein von uns entferntes, aus unserm Stück entrücktes Dasein kann uns manchmal überkommen, wie ein Wissen von jener Wirklichkeit sich niedersenkend, so daß wir eine Weile hingerissen das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.
Gethsemane
Cantata by Tilo Medek (1940 - 2006)
In einer Textmontage von Dorothea Medek
1. Wir wissen nichts von diesem Hingehn
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Todeserfahrung", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]2. Er ging hinauf unter dem grauen Laub
Er ging hinauf unter dem grauen Laub
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände
und legte seine Stirne voller Staub
tief in das Staubigsein der heißen Hände.
...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Ölbaumgarten", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]3. Nach allem dies
... Nach allem dies. Und dieses war der Schluß. Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde, und warum willst Du, daß ich sagen muß, Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde. Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein. Nicht in den andern . Nicht in diesem Stein . Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein . ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Ölbaumgarten", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]4. Nichts ist so stumm
... Nichts ist so stumm wie eines Gottes Mund. Schön wie ein Schwan auf seiner Ewigkeit grundlosen Fläche: so zieht der Gott und taucht und schon sein Weiß. ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "So angestrengt wider die starke Nacht", appears in Gedichte an die Nacht
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]5. Ich bin derselbe noch, der bange
... Ich bin derselbe noch, der bange dich manchmal fragte, wer du seist. Nach jedem Sonnenuntergange bin ich verwundet und verwaist, ... Und so, mein Gott, ist jede Nacht; immer sind welche aufgewacht, die gehn und gehn und dich nicht finden. Hörst du sie mit dem Schritt von Blinden das Dunkel treten? Auf Treppen, die sich niederwinden, hörst du sie beten? Hörst du sie fallen auf den schwarzen Steinen? Du mußt sie weinen hören; denn sie weinen. ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1901, appears in Das Stundenbuch, in 2. Das Buch von der Pilgerschaft, no. 3
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]6. Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz
Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz,
das heil inmitten aller Dinge weilt?
Sein großer Schlag ist in uns eingeteilt
in kleine Schläge. ... Aber auf einmal bricht
der große Herzschlag heimlich in uns ein,
so daß wir schrein, --
und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
See other settings of this text.
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]7. Wohin reicht, wohin die Stimme der Menschen
Wohin reicht, wohin die Stimme der Menschen
wenn sie emporklingt? Schwingen,
schwingen die Himmel von ihr?
Oder verbringt sie immer ein schwindender Wind?
...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Strophen zu einer Fest-Musik", subtitle: "für Sidie Nadherny", written 1915
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]8. Ich finde dich nicht mehr!
... Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein. Nicht in den andern . Nicht in diesem Stein . Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein . Ich bin allein mit aller Menschen Gram, den ich durch Dich zu lindern unternahm, der Du nicht bist. O namenlose Scham ... ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Ölbaumgarten", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]9. Orgelsolo
— Tacet —
Go to the general single-text view
10. Seit den wunderbaren Schöpfungstagen
Seit den wunderbaren Schöpfungstagen
schläft der Gott: wir sind sein Schlaf,
hingenommen, stumpf von ihm ertragen
unter Sternen, die er übertraf.
...
Manchmal rührt er sich von unsrer Qual,
schmerzensähnlich zuckts durch seine Glieder,
aber immer überwiegt ihn wieder
seiner Welten heile Überzahl.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Seit den wunderbaren Schöpfungstagen", written 1914, appears in Das Inselschiff , first published 1936
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]11. Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte
... Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte wie ein noch ungefundenes Metall? Ehrfürchtig füll ich deine Felsenfalte, und deine Härte fühl ich überall. Oder ist das die Angst, in der ich bin? die tiefe Angst der übergroßen Städte, in die du mich gestellt hast bis ans Kinn? ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1903, appears in Das Stundenbuch, in 3. Das Buch von der Armut und dem Tode, no. 2
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]12. Die Städte aber wollen nur das Ihre Sung Text
Note: this is a multi-text setting
Die Städte aber wollen nur das Ihre
und reißen alles mit in ihren Lauf.
Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere
und brauchen viele Völker brennend auf.
Und ihre Menschen dienen in Kulturen
und fallen tief aus Gleichgewicht und Maß,
und nennen Fortschritt ihre Schneckenspuren
und fahren rascher, wo sie langsam fuhren,
und fühlen sich und funkeln wie die Huren
und lärmen lauter mit Metall und Glas.
Es ist, als ob ein Trug sie täglich äffte,
sie können gar nicht mehr sie selber sein;
das Geld wächst an, hat alle ihre Kräfte
und ist wie Ostwind groß, und sie sind klein
... .
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1903, appears in Das Stundenbuch, in 3. Das Buch von der Armut und dem Tode, no. 31
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]... Sie gehn umher, entwürdigt durch die Müh, sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen, und ihre Kleider werden welk an ihnen, und ihre schönen Hände altern früh. ... Sie sind gegeben unter hundert Quäler, und, angeschrien von jeder Stunde Schlag, kreisen sie einsam um die Hospitäler und warten angstvoll auf den Einlaßtag. Dort ist der Tod. Der Tod hängt grün und ohne Süße wie eine Frucht in ihnen, die nicht reift.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1903, appears in Das Stundenbuch, in 3. Das Buch von der Armut und dem Tode, no. 5
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]O Herr, gib jedem seinen eignen Tod. Das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe hatte, Sinn und Not.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1903, appears in Das Stundenbuch, in 3. Das Buch von der Armut und dem Tode, no. 6
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Walter A. Aue) , "Oh Lord, award to each his fitting death", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Bertram Kottmann) , "O Lord", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Concedi a ognuno, o Dio, la sua propria morte", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
13. Ich bin allein mit aller Menschen Gram
... Ich bin allein mit aller Menschen Gram, den ich durch Dich zu lindern unternahm, der Du nicht bist. O namenlose Scham ... Später erzählte man : ein Engel kam --. Warum ein Engel ? Ach es kam die Nacht und blätterte gleichgültig in den Bäumen. Die Jünger rührten sich in ihren Träumen. Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht. ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Ölbaumgarten", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]14. Quellen, sie münden herauf
Quellen, sie münden herauf,
beinah zu eilig
Was treibt aus Gründen herauf,
heiter und heilig?
...
Wir, was erwidern wir
Solcher Gebärde?
Ach, wie zergliedern wir
Wasser und Erde.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]15. Ach es kam die Nacht
...
Ach, es kam die Nacht. Die Nacht, sie kam, war keine ungemeine ;
so gehen hunderte vorbei.
Da schlafen Hunde, und da liegen Steine.
Ach eine traurige, ach irgendeine,
die wartet, bis es wieder Morgen sei.
Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern ,
und Nächte werden nicht um solche groß.
Die Sich-Verlierenden läßt alles los ,
und sie sind preisgegeben von den Vätern
und ausgeschlossen aus der Mütter Schoß.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Ölbaumgarten", appears in Neue Gedichte
See other settings of this text.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]16. Mehr als die Stürme, mehr als die Meere haben
Mehr als die Stürme, mehr als die Meere haben die Menschen geschrieen... Welche Übergewichte von Stille müssen im Weltraum wohnen, da uns die Grille hörbar blieb, uns schreienden Menschen. Da uns die Sterne schweigend schienen, im angeschrieenen Äther!
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]17. ...klag ich, klag ich?
...
Klag ich, klag ich?
Doch wie wäre denn die Klage mein?
Ach, ich schreie, mit zwei Hölzern schlag ich
und ich meine nicht, gehört zu sein.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "An den Engel", written 1913, appears in Das Inselschiff , no. 8
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]