Was war das für ein wunderreicher Traum! Er hat mein Herz so innig warm beglückt . . . Er führte mich auf grünen Wiesen aus voll Frühlingsblumen, -- jeder Blüte gab von Sonnengold er einen Glorienschein. Hell war der Himmel und unendlich weit, leis' wimpelte von säftevollen Zweigen, die glänzend überquollen in dem Licht des jungen Lenzen, unberührtes Grün. Und alles war voll Glück, voll Glück auch ich; ein Sonnenstäubchen Glück: so fühlt ich mich. Und durch die Welten wirbelte ich hin; Licht war mein Herz, und meine Augen Glanz. Die Wiese mit den Blumen . . . Langsam schritt ich durch das grüne Rauschemeer, ich führte am Arm ein Mädchen, und an meiner Brust hört' ich ein Klopfen, das wie Liebe klang, so fragend zag und bittebang und tief; und zweier Augen heiße Seligkeit. ein Rosenhimmel, aller Gnaden voll, sah mir in's Herz und hellte mir ein Glück, das nie ich wußte, das mein Sehnen war durch lange, arme, liebeleere Zeit. Das war die Liebe. Leise wie ein Traum ist sie durch Seele mir und Sinn geweht, und ich war selig. Rosen sah' ich rings, und Rosen deckten mir die ganze Welt, die Welt voll Gräuel, Traumesrosen deckten mit Blütenranken mir die Wahrheit zu. Die Sonne sah ich nur: ich sah nur dich; die Augen gingen über mir vor Glanz, ergießen wollte sich das Herz' vor Glück, bang überselig strömen in den Tod, -- da wacht' ich plözlich unter Tränen auf. Was ich als Sonne selig angesehn, als aller Liebe, aller Schönheit Herd -- ein einziger Blick verriet mir blitzesgrell, daß eine Lüge meine Sonne war, ein schöner, böser, liebeleerer Stern. Der Traum ist aus. Ich starre in mein Herz, ich weine in mein Herz: die Träne fällt in einen Krater, krustig ausgebrannt. Der heiße Lavastrom der Liebe ward zu Stein. Ich will die Tage nutzen. Kalt will deine Lüge ich einmeißeln ihm.
Sechs Lieder
Song Cycle by Anna Cramer (1873 - 1968)
1. Erwachen in den grellen Tag
Text Authorship:
- by Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910), "Erwachen in den grellen Tag", appears in Irrgarten der Liebe. Verliebte, launenhafte und moralische Lieder, Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885 bis 1900, in Gedichte, in Das Haus im Irrgarten
Go to the general single-text view
Researcher for this page: John Versmoren2. Ave Rosa
Mitternacht . . . In weißen Kutten graben sich Trappisten ihre letzte Ruhstatt. "Ave Rosa sine spiris", singen ihre Herzen, aber ihre Lippen singen nicht. Sei gegrüßt, du rote, dornenlose Rose, reinste aller Rosen, große Weltenrose, Jungfrau, sei gegrüßt! Dornen haben, ach, uns wund gestochen, doch der Herzens Wunde bittres Pochen hat Dein Duften selig übersüßt! Lassen Schwunges schaufeln sie die Erde, bis sie Raum gewonnen ihren Leibern. Und sie legen sich zum Sterben nieder, einmal noch die schmalen Lippen öffnend: "Sei gegrüßt!"
Text Authorship:
- by Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910), "Nacht", appears in Gemma
Go to the general single-text view
Researcher for this page: John Versmoren3. Michel mit der Lanze
Michel mit der Lanze Reitet durch den lichten Hain. Michel, was träumst du? "Freitraud im Rosenkranze Tanzt ganz allein. Freitraud hat goldene Haare So so so fein; Freitraud hat Augen klare Wie Sonnenschein; Ich möchte Freitraud küssen, Und 's kann nicht sein." Michel mit der Lanze Reitet durch den dunkeln Tann. Michel, was träumst du? "Kann ich nicht sein beim Tanze, Was tu ich dann? Ich such mir eine Drachen, Den geh' ich an. Will ihm den Garaus machen, Recht als ein Mann. Will zeigen, daß ich fechten Und siegen kann."
Text Authorship:
- by Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910), "Michel mit der Lanze", appears in Der neubestellte Irrgarten der Liebe, in Statuen
Go to the general single-text view
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "Michael with his lance", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Otto Julius Bierbaum, Der neubestellte Irrgarten der Liebe um etliche Gaenge und Lauben vermehrt, Leipzig: Insel-Verlag, MDCCCCVI (1898), page 31.
Research team for this page: John Versmoren , Sharon Krebs [Guest Editor]
4. Vale
Ich bin der Mönch Waltramus, Dem seliges Leid geschah, Ich läute die Abendglocken: Vale carissima! Es steht eine Burg am Berge, Wo ich die Traute sah, Mein Herz klingt in die Glocken: Vale carissima! Fern soll mir stehen Minne, Und stand mir doch so nah! Es steht ein Kloster im Tale, Vale carissima!
Text Authorship:
- by Karl Stieler (1842 - 1885), "Vale", appears in Hochland-Lieder, in 3. Deutsches Leben, no. 3
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , copyright © 2024, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Michael P Rosewall) , copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
5. Auftrag
Ihr Freunde, hänget, wann ich gestorben bin, die kleine Harfe hinter dem Altar auf, wo an der Wand die Totenkränze manches verstorbenen Mädchens schimmern. Der Küster zeigt dann freundlich dem Reisenden die kleine Harfe, rauscht mit dem roten Band, das, an der Harfe festgeschlungen, unter den goldenen Saiten flattert. Oft, sagt er staunend, tönen im Abendrot von selbst die Saiten, leise wie Bienenton; die Kinder, hergelockt vom Kirchhof, hörten's, und sah'n, wie die Kränze bebten.
Text Authorship:
- by Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748 - 1776), "Auftrag", written 1776
See other settings of this text.
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , John Versmoren , Peter Rastl [Guest Editor] , Johann Winkler6. Waldhornklange
Es hat ein Jäger geblasen im Wald auf einsamer Wacht, da kam es über den Rasen wohl durch die rauschende Nacht. Lieb Jäger unter dem Baume, ich bin des Grafen sein Weib, ich höre dich Nachts im Traume, du bläst mir das Herz aus dem Leib. Mein Lieb, und bist du des Grafen, dein Bett steht im Schloße gemacht, ich darf nicht schlummern und schlafen, ich blase die ganze Nacht! Ich blase mit meinem Klingen mich selber um Glück und Ruh, und muß mein Horn einst zerspringen, ich lege mich auch dazu.
Text Authorship:
- by Karl Busse (1872 - 1918)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: John Versmoren