O Nacht ! Zwar schwarze, aber linde Zeit mit Frieden überwindend jedes Streben wer Recht sieht und versteht, muss dich erheben, und wer dich ehrt, ist voll Verständigkeit. Du brichst das matte Denken ab, zersägst und nimmst es ein mit feuchter Ruh' und Schwere während du mich, wohin ich oft begehre im Traum von unten ganz nach oben trägst. Schatten des Sterbens ! Nur vor dir macht Halt, was Herz und Seele feind ist, immer wieder. Letzte Bedrückten gute Arznei. Du heilst die schwache fleischliche Gestalt, machst Tränen trocken, legst das Müde nieder und Zorn und Ekel gehen an dir vorbei.
Zwei Sonetten von Michelangelo , opus 9
by Harald Lie (1902 - 1942)
1. O, Nacht zwar schwarze  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 102
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2. Mit deinen Augen  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Mit deinen Augen seh ich süßes Licht, das ich mit meinen blinden nicht mehr schaue, und, das ich, lahm, zu tragen mich getraue, mit deinen Füßen trag ich dies Gewicht. Dem Federlosen giebt dein Flügel halt, dein Geist weiß mich zum Himmel zu entfachen, du hast die Macht, mich rot und blaß zu machen, im Froste heiß und in der Sonne kalt. In deinem Willen ist mein Wille drin, mein Denken wird in deiner Brust bereitet, in meine Worte weht dein Atem ein. Es scheint, daß ich dem Monde ähnlich bin, den unser Auge oben nur begleitet, soweit die Sonne ihn versieht mit Schein.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 89
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-Verlag, 1927, p.230