Das ist der alte Märchenwald! Es duftet die Lindenblüte! Der wunderbare Mondenglanz Bezaubert mein Gemüte. Ich ging fürbaß, und wie ich ging, Erklang es in der Höhe. Das ist die Nachtigall, sie singt Von Lieb' und Liebeswehe. Sie singt von Lieb' und Liebesweh, Von Tränen und von Lachen, Sie jubelt so traurig, sie schluchzet so froh, Vergessene Träume erwachen. -- Ich ging fürbaß, und wie ich ging, Da sah ich vor mir liegen, Auf freiem Platz, ein großes Schloß, Die Giebel hoch aufstiegen. Verschlossene Fenster, überall Ein Schweigen und ein Trauern; Es schien, als wohne der stille Tod In diesen öden Mauern. Dort vor dem Tor lag eine Sphinx, Ein Zwitter von Schrecken und Lüsten, Der Leib und die Tatze wie ein Löw', Ein Weib an Haupt und Brüsten. Ein schönes Weib! Der weiße Blick, Er sprach von wildem Begehren; Die stummen Lippen wölbten sich Und lächelten stilles Gewähren. Die Nachtigall, sie sang so süß -- Ich konnt nicht widerstehen -- Und als ich küßte das holde Gesicht, Da war's um mich geschehen. Lebendig ward das Marmorbild, der Stein begann zu ächzen -- Sie trank meiner Küsse lodernde Glut Mit Dürsten und mit Lechzen. Sie trank mir fast den Odem aus -- Und endlich, wollustheischend, Umschlang sie mich, meinen armen Leib Mit den Löwentatzen zerfleischend. Entzückende Marter und wonniges Weh! Der Schmerz wie die Lust unermeßlich! Derweilen des Mundes Kuß mich beglückt, Verwunden die Tatzen mich gräßlich. Die Nachtigall sang: "O schöne Sphinx! O Liebe! was soll es bedeuten, Daß du vermischest mit Todesqual All deine Seligkeiten? O schöne Sphinx! O löse mir Das Rätsel, das wunderbare! Ich hab darüber nachgedacht Schon manche tausend Jahre."
Genialer Künstlerschweiß
Song Cycle by Michael Proksch
2. Walzer  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), "Vorrede zur dritten Auflage", appears in Buch der Lieder
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- ENG English (Emma Lazarus) , "The sphinx", appears in Poems and Ballads of Heinrich Heine, first published 1881
9. Gestelzt  [sung text not yet checked]
Hände küssen, Hüte rücken, Knie beugen, Häupter bücken, Kind, das ist nur Gaukelei, Denn das Herz denkt nichts dabei!
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), "In das Album einer Dame", appears in Nachgelesene Gedichte 1845-1856, no. 35
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]11. Von Ferne  [sung text not yet checked]
Wenn junge Herzen brechen, So lachen drob die Sterne, Sie lachen und sie sprechen Herab aus der blauen Ferne: «Die armen Menschen lieben Sich zwar mit vollen Seelen, Und müssen sich doch betrüben, Und gar zu Tode quälen. Wir haben nie empfunden Die Liebe, die so verderblich Den armen Menschen drunten; Drum sind wir auch unsterblich.»
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Nachgelesene Gedichte 1828-1844 , no. 72
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]21. Verlangen I  [sung text not yet checked]
Laß die heilgen Parabolen, Laß die frommen Hypothesen - Suche die verdammten Fragen Ohne Umschweif uns zu lösen. Warum schleppt sich blutend, elend, Unter Kreuzlast der Gerechte, Während glücklich als ein Sieger Trabt auf hohem Roß der Schlechte? Woran liegt die Schuld? Ist etwa Unser Herr nicht ganz allmächtig? Oder treibt er selbst den Unfug? Ach, das wäre niederträchtig. Also fragen wir beständig, Bis man uns mit einer Handvoll Erde endlich stopft die Mäuler - Aber ist das eine Antwort?
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Gedichte 1853 und 1854, in 8. Zum Lazarus, no. 1
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- CZE Czech (Čeština) (Otokar Fischer) , "Nech si důminky…"
25. Das Hohelied  [sung text not yet checked]
Des Weibes Leib ist ein Gedicht, Das Gott der Herr geschrieben Ins große Stammbuch der Natur, Als ihn der Geist getrieben. Ja, günstig war die Stunde ihm, Der Gott war hochbegeistert; Er hat den spröden, rebellischen Stoff Ganz künstlerisch bemeistert. Fürwahr, der Leib des Weibes ist Das Hohelied der Lieder; Gar wunderbare Strophen sind Die schlanken, weißen Glieder. O welche göttliche Idee Ist dieser Hals, der blanke, Worauf sich wiegt der kleine Kopf, Der lockige Hauptgedanke! Der Brüstchen Rosenknospen sind Epigrammatisch gefeilet; Unsäglich entzückend ist die Zäsur, Die streng den Busen teilet. Den plastischen Schöpfer offenbart Der Hüften Parallele; Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt Ist auch eine schöne Stelle. Das ist kein abstraktes Begriffspoem! Das Lied hat Fleisch und Rippen, Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt Mit schöngereimten Lippen. Hier atmet wahre Poesie! Anmut in jeder Wendung! Und auf der Stirne trägt das Lied Den Stempel der Vollendung. Lobsingen will ich dir, o Herr, Und dich im Staub anbeten! Wir sind nur Stümper gegen dich, Den himmlischen Poeten. Versenken will ich mich, o Herr, In deines Liedes Prächten; Ich widme seinem Studium Den Tag mitsamt den Nächten. Ja, Tag und Nacht studier ich dran, Will keine Zeit verlieren; Die Beine werden mir so dünn - Das kommt vom vielen Studieren.
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), appears in Nachgelesene Gedichte 1845-1856, no. 12
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- CZE Czech (Čeština) (Otokar Fischer) , "Píseň písní"
27. Mir lodert und wogt  [sung text not yet checked]
Mir lodert und wogt im Hirn eine Flut Von Wäldern, Bergen und Fluren; Aus dem tollen Wust tritt endlich hervor Ein Bild mit festen Konturen. Das Städtchen, das mir im Sinne schwebt, Ist Godesberg, ich denke. Dort wieder unter dem Lindenbaum Sitz ich vor der alten Schenke. Der Hals ist mir trocken, als hätt ich verschluckt Die untergehende Sonne. Herr Wirt! Herr Wirt! Eine Flasche Wein Aus Eurer besten Tonne! Es fließt der holde Rebensaft Hinunter in meine Seele Und löscht bei dieser Gelegenheit Den Sonnenbrand der Kehle. Und noch eine Flasche, Herr Wirt! Ich trank Die erste in schnöder Zerstreuung, Ganz ohne Andacht! Mein edler Wein, Ich bitte dich drob um Verzeihung. Ich sah hinauf nach dem Drachenfels, Der, hochromantisch beschienen Vom Abendrot, sich spiegelt im Rhein Mit seinen Burgruinen. Ich horchte dem fernen Winzergesang Und dem kecken Gezwitscher der Finken - So trank ich zerstreut, und an den Wein Dacht ich nicht während dem Trinken. Jetzt aber steck ich die Nase ins Glas, Und ernsthaft zuvor beguck ich Den Wein, den ich schlucke; manchmal auch, Ganz ohne zu gucken, schluck ich. Doch sonderbar! Während dem Schlucken wird mir Zu Sinne, als ob ich verdoppelt, Ein andrer armer Schlucker sei Mit mir zusammengekoppelt. Der sieht so krank und elend aus, So bleich und abgemergelt. Gar schmerzlich verhöhnend schaut er mich an, Wodurch er mich seltsam nergelt. Der Bursche behauptet, er sei ich selbst, Wir wären nur eins, wir beide, Wir wären ein einziger armer Mensch, Der jetzt am Fieber leide. Nicht in der Schenke von Godesberg, In einer Krankenstube Des fernen Paris befänden wir uns - Du lügst, du bleicher Bube! Du lügst, ich bin so gesund und rot Wie eine blühende Rose, Auch bin ich stark, nimm dich in acht, Daß ich mich nicht erbose! Er zuckt die Achseln und seufzt: «O Narr!» Das hat meinen Zorn entzügelt; Und mit dem verdammten zweiten Ich Hab ich mich endlich geprügelt. Doch sonderbar! jedweden Puff, Den ich dem Burschen erteile, Empfinde ich am eignen Leib, Und ich schlage mir Beule auf Beule. Bei dieser fatalen Balgerei Ward wieder der Hals mir trocken, Und will ich rufen nach Wein den Wirt, Die Worte im Munde stocken. Mir schwinden die Sinne, und traumhaft hör Ich von Kataplasmen reden, Auch von der Mixtur - ein Eßlöffel voll - Zwölf Tropfen stündlich in jeden.
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Nachgelesene Gedichte 1845-1856, no. 45
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (E. B. Schuldham) , "Mir lodert und wogt", appears in Poems Selected from Heinrich Heine, ed. by Kate Freiligrath Kroeker, London: Walter Scott, Limited, pages 268-270, first published 1887
28. Zwiegespräch / Nachtgedanken / Verlangen II  [sung text not yet checked]
Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen. Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, Zwölf Jahre sind schon hingegangen; Es wächst mein Sehnen und Verlangen. Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext, Ich denke immer an die alte, Die alte Frau, die Gott erhalte! Die alte Frau hat mich so lieb, Und in den Briefen, die sie schrieb, Seh ich, wie ihre Hand gezittert, Wie tief das Mutterherz erschüttert. Die Mutter liegt mir stets im Sinn. Zwölf lange Jahre flossen hin, Zwölf lange Jahre sind verflossen, Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen. Deutschland hat ewigen Bestand, Es ist ein kerngesundes Land, Mit seinen Eichen, seinen Linden, Werd ich es immer wiederfinden. Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Frau kann sterben. Seit ich das Land verlassen hab, So viele sanken dort ins Grab, Die ich geliebt - wenn ich sie zähle, So will verbluten meine Seele. Und zählen muß ich - Mit der Zahl Schwillt immer höher meine Qual, Mir ist, als wälzten sich die Leichen, Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen! Gottlob! durch meine Fenster bricht Französisch heitres Tageslicht; Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), "Nachtgedanken", appears in Neue Gedichte, in Zeitgedichte, no. 24
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