Der erste Tagesschimmer hellt Unsres Kerkers Raum Und weht um die düstern Stirnen Lieblichen Morgentraum. Ein stiller Garten winket Daheim am lieben Rhein; Die sinkende Sonne grüßt ihn Lächelnd mit rotem Schein. Und ich, und du, wir wandeln Darinnen Hand in Hand. Und schau'n von der hohen Terrasse Weit in das goldne Land; Und Kinder sind wir wieder, So schuldlos, glücklich und frei, Und wissen noch nicht was scheiden, Ach, und Entsagen sei. Die fernen Segel ziehen Am blauen Ufersaum; Wir schauen uns an voll Sehnsucht - Weh, da zerfliesset der Traum. Wir sind ja beid gefangen, In Ketten sind wir ja beid; Und nur im Wechselgesange Einen wir ewiges Leid.
Sechs Lieder , opus 16
by Johanna Kinkel (1810 - 1858)
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1. Die Gefangenen
Text Authorship:
- by Johanna Kinkel (1810 - 1858), "Die Gefangenen"
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- ENG English (Anja Bunzel) , "The convicts", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
2. Nächtliche Fahrt
Wenn über Wellen und Land Sich giesset der Sternenschein, Dann möcht’ ich fliehen zum Strand Mit Dir, o Geliebter mein. Wir fänden den Nachen dort, Wir stiegen vertrauend hinein; Er schaukelt uns fort und fort Hinunter den kühlen Rhein; Verhallt der menschliche Laut, Und über uns milde Ruh’; An deinem Herzen traut, Da schlöss’ ich die Augen zu. Bis endlich ich staunend erwacht Im funkelnden Morgenlicht; Vorüber schon manche Nacht, Viel Tages, ich merkt’ es nicht. Auf blauer Meeresbahn, Vorüber manch’ schimmerndem Land, Uns trägt der verzauberte Kahn Zum fernsten Juwelstrand. Da steht ein Purpurgezelt, Zwei Harfen, zwei Becher Wein, Verschollen die ganze Welt, Verschollen auch wir und allein.
Text Authorship:
- by Johanna Kinkel (1810 - 1858)
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- ENG English (Anja Bunzel) , "Nocturnal journey", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
3. Abschied von Italien
Fort nun, o Schiff! Ich weiß, du magst nicht eilen, Von diesen Ufern scheidet sich's so schwer. Ihr Segel auf! Ich weiß, ihr wollt noch weilen, Bald schwellt euch ja des Südens Hauch nicht mehr. Windet den Anker auf an straffen Seilen, Ob lab und blau dich auch umspielt das Meer, Ach, schwerer banger Weh als ihr erleidet Das Herz, das blutend von Italien scheidet. Fort nun, o Schiff! Hinauf zum rauhen Norden! Zum letzten Male glänzt des Südens Nacht. Der Mond tritt hoch hervor aus Ostens Pforten, Dem ewig klar die Flut entgegen lacht. Laut rauscht die See, es flammt an Schiffes Borden Des Meeresleuchtens zauberhafte Pracht; Der Morgen hebt sich über Wogenschäume, Vorbei! Ach fern schon liegt das Land der Träume.
Text Authorship:
- by (Johann) Gottfried Kinkel (1815 - 1882), "Abschied von Italien"
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- ENG English (Anja Bunzel) , "Farewell from Italy", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
4. Gegenwart  [sung text not yet checked]
Alles kündet dich an! Erscheinet die herrliche Sonne, Folgst du, so hoff ich es, bald. Trittst du im Garten hervor, So bist du die Rose der Rosen, Lilie der Lilien zugleich. Wenn du zum Tanze dich regst, So regen sich alle Gestirne Mit dir und um dich umher. Nacht! und so wär es denn Nacht! Nun [überscheinst]1 du des Mondes lieblichen, ladenden Glanz. Ladend und lieblich bist Du, Und Blumen, Mond und Gestirne huldigen, Sonne, nur Dir. Sonne! so sei du auch mir Die Schöpferin herrlicher Tage; Leben und Ewigkeit ist's.
Text Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "Gegenwart", written 1813
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- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Emily Ezust) , "Presence", copyright ©
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Présence", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
1 Mendelssohn: "überstrahlst".
5. Rheinfahrt
Die Nacht kommt still gezogen Mit ihrem dunkeln Haar, Es kommt ihr nachgeflogen Der Träume bunte Schaar. Ich steure mit meiner Süßen In die stille Fluth hinein, Die Abendwinde grüßen Stillflüsternd im blauen Rhein; Die Weidenbäume schwanken Am Strand in stiller Ruh', Und raunen duft'ge Gedanken Der spielenden Woge zu; Am Himmel die Sternlein gaukeln, Wie glänzendes Edelgestein, Die träumenden Wellen schaukeln Den leuchtenden Wiederschein. Da steigt in seinem Glanze Der bleiche Mond herauf Hinter dem Bergeskranze In heimlich stillem Lauf. Hei! wie er schwelgt und leuchtet In seinem Zauberschein Und glühende Liebe beichtet Dem frischen, blauen Rhein! Ein treuer Buhle, grüßt er So recht aus vollem Muth, Und sanfterröthend küßt er Die spiegelhelle Fluth. Wir aber im Traum zerflossen, Schaukeln in seeliger Lust Und halten uns liebumschlossen, Und lehnen Brust an Brust.
Text Authorship:
- by Sebastian Longard (1817 - 187?92), "Nächtliche Fahrt"
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- ENG English (Anja Bunzel) , "Journey on the River Rhine", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
6. Klage
Ach dass du doch so ferne bist, Dass ich dich nimmer seh’, Und dass du dort so gerne bist, Tut mir im Herzen weh. Als du mir gabst dein heilig Wort, Mir ewig treu zu sein, Wohl war es nur ein eilig Wort So bald vorbei zu sein. Was war ich ein unvorsichtig Kind, Dass ich nicht bei dir blieb! Doch dass auch Schwüre flüchtig sind, Das wusst’ ich nicht, mein Lieb.
Text Authorship:
- by Sebastian Longard (1817 - 187?92)
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- ENG English (Anja Bunzel) , "Lamentation", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission