Komm mit mir in die Felder! . . . Laß im Grünen
Mich baden meine seid'nen Schuh' im Thau.
Auf Wiesen, die vom Morgenlicht beschienen,
Pflück' alle Blumen ich . . .
Komm mit mir, mein Poet, in Wald und Au,
Doch nicht von Liebe sprich! . . .
Es ziehen Schwalben durch den ros'gen Himmel,
Das feuchte Laub wie Diamanten glüht;
Im Grase blitzt der Käfer bunt Gewimmel,
Verjüngt ist rings das Land;
Sieh, wie's vom Licht und sonn'gem Zauber sprühet . . .
Man spürt die Gotteshand!
. . . Doch sprich von Liebe nicht. - Von solchem Glanze
Ist uns're Kraft ein blasser Wiederschein.
Sieh, wie der Strahl gleich einem Siegeskranze
Den Boden rings umflicht,
So mächtig heiß wie Erd' und Sonnenschein
Küsst deine Liebe nicht! . . .
...
Sechs Gedichte aus Ada Negris Fatalitá
by Max J. L. Gus
1. Komm mit mir in die Felder
Text Authorship:
- by Hedwig Jahn (b. 1845), appears in Schicksal. [Fatalitá.] Gedichte von Ada Negri
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Researcher for this page: Johann Winkler2. Kurze Geschichte
Sie schien so schön wie eines Dichters Traum, In Weiß gekleidet immer, und es lag Die Ruhe einer Sphinx in ihren Mienen. Ihr seid'nes Haar ging bis zum Kleidersaum, Ihr Lachen trillerte wie Lerchenschlag, Ein Bildwerk ihre edlen Formen schienen. Sie liebte - ohne Gegenlieb' zu finden Und barg mit heitrer Stirn die Herzenswunde, Hat schweigend ihre inn're Glut verhehlt. Jedoch die Sehnsucht ließ dahin sie schwinden; Sie starb an einer herbstlich trüben Stunde Wie die Verbena, der die Sonne gefehlt.
Text Authorship:
- by Hedwig Jahn (b. 1845), "Kurze Geschichte", appears in Schicksal. [Fatalitá.] Gedichte von Ada Negri
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Researcher for this page: Johann Winkler3. Schneefall
Es fällt aus luft'ger Höh' In leichtem Wirbelkreise Auf Feld und Wiesen leise Der Schnee. In weichen Flocken fliegt Er scherzend hin und wieder, Bis müd' am Boden nieder Er liegt. Dann ruht der weiße Schnee Auf Wiesen und auf Feldern, Auf Bergen und auf Wäldern Im Traum. Wohin das Auge fällt, Herrscht Frieden, und in Schweigen Sank nach des Tages Reigen Die Welt. Die tiefe Stille senkt, Ins Herz Erinnerungen An Liebe, längst verklungen.
Text Authorship:
- by Hedwig Jahn (b. 1845), "Schneefall", appears in Schicksal. [Fatalitá.] Gedichte von Ada Negri
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Researcher for this page: Johann Winkler4. Allein mit dir
Hier . . . ganz allein mit dir. - O laß mich, laß mich Ausweinen in dein Herz die Bitterkeit, Die sich seit Jahren in der Brust gehäuft, All die geheimen Wünsche, alles Leid . . . Ich sehne mich nach Thränen. An deiner warmen Brust, o laß mich, laß mich Mein müdes Haupt zur Ruhe betten weich; Wie unter'm Flügel sich der Vogel birgt, Die welke Rose niederhängt am Zweig! . . . Ich sehne mich nach Frieden. Auf deinen roten Mund, o laß mich, laß mich Die Lippe drücken, die erbebt und glüht, Laß flüstern dir in's Ohr das einz'ge Wort, Das wie ein Rausch mir durch die Seele zieht . . . Ich sehne mich nach Liebe.
Text Authorship:
- sometimes misattributed to Karl Friedrich Henckell (1864 - 1929)
- by Hedwig Jahn (b. 1845), "Allein mit dir"
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See other settings of this text.
Note: the translation is quoted without any attribution in Ada Negri. Ein Vortrag von Karl Henckell. Mit dem Portrait der Dichterin, Zürich und Leipzig, Verlag von Karl Henckell & Co., 1896, page 29.
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Johann Winkler5. Ich kann es nicht
Warum, wenn deine Lippe zauberhaft Mir spricht von deines Lebens Leid und Lust, Scheint deiner blauen Augen Liebeskraft Das Herz mir fast zu stehlen aus der Brust? . . . Ruf' alter Träume Küsse nicht ans Licht . . . O schweig', ich kann es nicht! . . . Und wenn gedankenvoll ergriffen ich Der Stimme lausche, die wie Harfen klingt, Warum färbt dunkel meine Wange sich, Ein Schauer mir durch alle Glieder dringt? . . . Ruf' alter Träume Küsse nicht ans Licht . . . O schweig', ich kann es nicht! . . . Mir ward ein and'res Schicksal. - Ach, die Zeit Bringt mir kein seliges Vergessensein, In dem mir sagt in wonniglicher Trunkenheit Die Lippe eines Liebenden: Sei mein. Dein Kuß auf meinem Munde, jung und rein, Würd' nur ein Unglück sein. Du ahnst wohl meine Liebe nicht? . . . Durchglüht Wär' sie von Freude, Glück und hellem Licht; Vom Lächeln stolzer Jugendkraft umblüht, Ein Siegeshymnus, der von Glaub' und Hoffnung spricht Und Seel' und Leib durchleuchtet, Mark und Bein Im lichten Zauberschein. Und doch verbann' ich dich und ziehe mich In keuscher Strenge in die Nacht zurück; O frage nicht, warum tyrannisch sich Mir aufdrängt ein geheimnißvoll Geschick; Ruf' alter Träume Küsse nicht ans Licht . . . O schweig', ich kann es nicht! . . .
Text Authorship:
- by Hedwig Jahn (b. 1845), "Ich kann es nicht", appears in Schicksal. [Fatalitá.] Gedichte von Ada Negri
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Researcher for this page: Johann Winkler6. Gebt Raum!
Gebt Raum! Aus Arbeitsstätten voller Lärm und Braus vom Pflug der Felder her und von der Schmieden Graus aus Höllenglut ich dringe, aus Höhlen, wo ein Volk spinnt, hämmert, webt und schafft, aus Schacht und Gruben steig' ich, und voll freier Kraft der Arbeit Ruhm ich singe. Gebt Raum! Aus Wäldern voll von Nestern und Gesang, Aus Myrthenbüschen und aus duft'gem Laubengang, aus üpp'ger Felder Wonne, aus blauen Wassern, d'rauf die zarte Möve kreist, erheb' ich mich bekränzt und sing' als Volkskind dreist ein Jubellied der Sonne. Wer hemmt den raschen Strom in seinem Lauf, wer hält der Lerche Flug zum ros'gen Himmel auf, den Pfeil im Reich der Lüfte? Ich bin der Strom, der schäumt, der Pfeil, der da singend schwirrt, ich bin die Lerche bald, die durch die Ferne irrt, die Eule bald der Grüfte. Kunst, für dich kämpfe ich, Zukunft, ich harre dein, und die Gefühle, die in heißem Flammenschein mir Herz und Geist durchglühten, werf' ich im Strahlenkleid der Dichtung, voller Glanz, der Erde und dem Himmel zu als Kranz von Blitzen und von Blüten!
Text Authorship:
- by Hedwig Jahn (b. 1845), "Gebt Raum!", appears in Schicksal. [Fatalitá.] Gedichte von Ada Negri
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Researcher for this page: Johann Winkler