Tag meines Lebens! Die Sonne sinkt. Schon steht die glatte Flut vergüldet. Warm atmet der Fels: schlief wohl zu Mittag das Glück auf ihm [seinen]1 Mittagsschlaf? In grünen Lichtern spielt Glück noch der braune Abgrund herauf. Tag meines Lebens! Gen Abends gehts! Schon glüht dein Auge halb gebrochen, schon quillt deines [Taues]2 Tränengeträufel, [schon]3 läuft still über weiße Meere deine Liebe Purpur, deine letzte zögernde Seeligkeit.
Fünf Lieder nach Friedrich Nietzsche , opus 320
by Klaus Miehling (b. 1963)
1. Die Sonne sinkt  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900), no title, appears in Dionysos-Dithyramben, in 3. Die Sonne sinkt, no. 2
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English [singable] (John Bernhoff) , "Day of my Life-Tide"
1 Wolff: "den"
2 Wolff: "Tau's"
3 Wolff: "und schon"
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2. Der Herbst  [sung text not yet checked]
Dies ist der Herbst: der -- bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort! -- Die Sonne schleicht zum Berg Und steigt und steigt und ruht bei jedem Schritt. Was ward die Welt so welk! Auf müd gespannten Fäden spielt Der Wind sein Lied. Die Hoffnung floh -- Er klagt ihr nach. Dies ist der Herbst: der -- bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort! Oh Frucht des Baums, Du zitterst, fällst? Welch ein Geheimnis lehrte dich Die Nacht, Daß eis'ger Schauder deine Wange, Die purpur-Wange deckt? -- Du schweigst, antwortest nicht? Wer redet noch? -- -- Dies ist der Herbst: der -- bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort! - "Ich bin nicht schön -- so spricht die Sternenblume -- Doch Menschen lieb' ich Und Menschen tröst' ich -- Sie sollen jetzt noch Blumen sehn, Nach mir sich bücken Ach! und mich brechen -- In ihrem Auge glänzet dann Erinn'rung auf, Erinnerung an Schöneres als ich: -- -- ich seh's, ich seh's -- und sterbe so." -- Dies ist der Herbst: der -- bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort!
Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900), "Der Herbst", written 1877
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Confirmed with Nietzsche's Werke. Taschen-Ausgabe, Band VI. Die fröhliche Wissenschaft. Aus dem Nachlaß 1871-1888. Von Friedrich Nietzsche, Leipzig, C. G. Naumann Verlag, 1906, pages 400-401.
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3. Venedig  [sung text not yet checked]
An der Brücke stand jüngst ich in brauner Nacht. Fernher kam Gesang; goldener Tropfen quoll's über die zitternde Fläche weg. Gondeln, Lichter, Musik - trunken schwamm's in die Dämmrung hinaus ... Meine Seele, ein Saitenspiel, sang sich, unsichtbar berührt, heimlich ein Gondellied dazu, zitternd vor bunter Seligkeit. - Hörte [ihr jemand]1 zu?
Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900), "Venedig", appears in Ecce Homo
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Emily Ezust) , "Venice", copyright ©
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Venise", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
1 Herz, Pejačević, Zimmermann: "jemand ihr"
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
4. Vereinsamt  [sung text not yet checked]
Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein. - Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat! Nun stehst du starr, Schaust rückwärts, ach! wie lange schon! Was bist du Narr Vor Winters in die Welt entflohn? Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends halt. Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht. Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn! Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, - Weh dem, der keine Heimat hat!
Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900), "Vereinsamt", written 1884
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Emily Ezust) , "Lonely", copyright ©
- ENG English [singable] (Walter A. Aue) , "Lone", copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Solitaire", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
5. An den Mistral  [sung text checked 1 time]
Mistral-Wind, du Wolken-Jäger, Trübsal-Mörder, Himmels-Feger, Brausender, wie lieb' ich dich! Sind wir Zwei nicht Eines Schosses Erstlingsgabe, Eines Loses Vorbestimmte ewiglich? Hier auf glatten Felsenwegen Lauf' ich tanzend dir entgegen, Tanzend, wie du pfeifst und singst: Der du ohne Schiff und Ruder Als der Freiheit freister Bruder Über wilde Meere springst. Kaum erwacht, hört' ich dein Rufen, Stürmte zu den Felsenstufen, Hin zur gelben Wand am Meer. Heil! da kamst du schon gleich hellen Diamantnen Stromesschnellen Sieghaft von den Bergen her. Auf den ebnen Himmels-Tennen Sah ich deine Rosse rennen, Sah den Wagen, der dich trägt, Sah die Hand dir selber zücken, Wenn sie auf der Rosse Rücken Blitzesgleich die Geissel schlägt, — Sah dich aus dem Wagen springen, Schneller dich hinabzuschwingen, Sah dich wie zum Pfeil verkürzt Senkrecht in die Tiefe stoßen, — Wie ein Goldstrahl durch die Rosen Erster Morgenröten stürzt. Tanze nun auf tausend Rücken, Wellen-Rücken, Wellen-Tücken — Heil, wer neue Tänze schafft! Tanzen wir in tausend Weisen, Frei — sei unsre Kunst geheißen, Fröhlich — unsre Wissenschaft! Raffen wir von jeder Blume Eine Blüthe uns zum Ruhme Und zwei Blätter noch zum Kranz! Tanzen wir gleich Troubadouren Zwischen Heiligen und Huren, Zwischen Gott und Welt den Tanz! Wer nicht tanzen kann mit Winden, Wer sich wickeln muss mit Binden, Angebunden, Krüppel-Greis, Wer da gleicht den Heuchel-Hänsen, Ehren-Tölpeln, Tugend-Gänsen, Fort aus unsrem Paradeis! Wirbeln wir den Staub der Straßen Allen Kranken in die Nasen, Scheuchen wir die Kranken-Brut! Lösen wir die ganze Küste Von dem Odem dürrer Brüste, Von den Augen ohne Mut! Jagen wir die Himmels-Trüber, Welten-Schwärzer, Wolken-Schieber, Hellen wir das Himmelreich! Brausen wir ... oh aller freien Geister Geist, mit dir zu Zweien Braust mein Glück dem Sturme gleich. — — Und dass ewig das Gedächtniss Solchen Glücks, nimm sein Vermächtnis, Nimm den Kranz hier mit hinauf! Wirf ihn höher, ferner, weiter, Stürm' empor die Himmelsleiter, Häng ihn — an den Sternen auf!
Authorship:
- by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900), "An den Mistral", subtitle: "Ein Tanzlied"
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