Ich weiß in deinem Antlitz zu gewahren, was Ausdruck kaum in diesem Leben leidet. Die Seele, mit dem Fleische noch bekleidet, ist mehrmals schon damit zu Gott gefahren. Und wenn der Pöbel, klein, gemein und leer, den andern dessen, was er fühlt, bezichtigt, ist tiefer Wille dadurch nicht entwichtigt, nicht Liebe, Treu und ehrliche Begehr. Zum Gnadenquell, aus welchem alle stammen, kommt jede Schönheit. Weil dort mehr sich zeigt, finden sich dort Verständigte zusammen. Nicht andre Früchte gibt es, noch Beweise des Himmels hier. Wer treu Euch liebt, der steigt zu Gott empor und macht den Tod sich leise.
Fünf Sonette Michelangelo Buonaroti Deutsche Nachdichtung von Rainer-Maria Rilke
Song Cycle by Anton Schoendlinger (1919 - 1983)
1. Ich weiß in deinem Antlitz zu gewahren  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 83
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p236
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2. Sieht durch die Augen man  [sung text not yet checked]
Sieht durch die Augen man im Angesicht das Herz, so brauchts nicht anderen Beweis für meine Flamme; Grund genügend seis , mein teurer Herr, daß deine Huld mir spricht. Vielleicht, daß mir dein Geist, noch mehr gewillt, als ich vermute, sieht er, wie ich lauter entbrannt bin, nachgibt, schneller und vertrauter, denn wer gut fleht, wird überaus gestillt. Glückseliger Tag, da dies gesichert schiene ! Mit einem Ruck anhielten in den alten Geleisen Sonnen und gewohnte Zeiten. Mir aber wäre, was ich nicht verdiene : für immer meinen süßen Herrn zu halten in diesen Armen, den ihm weit bereiten.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 72
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p241
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Ist dieses ihres ersten Schöpfers Licht  [sung text not yet checked]
Ist dieses ihres ersten Schöpfers Licht, das jetzt die Seele fühlt ? Hat aus Gestalten von hier im Herzen Schönheit sich erhalten und bricht auf einmal durch? Ich weiß es nicht. Wie oder geht ein Traum vor, ein Verdacht, dem Herzen wahr, den Blicken zu erkennen, und hinterläßt ich weiß nicht welches Brennen, das jenes ist, das mich jetzt weinen macht. Das, was ich fühl und suche, was mich führt, ist nicht mit mir und kein Gefühl durchdringt mich, daß ich es fände ; zeigen muß mirs einer. Da ich dich schaute, Herr, hab ichs gespürt, ein Ja und Nein, ein Süß und Bitter zwingt mich: hat dies ein Blick getan, so war es deiner.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 76
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p255
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
4. Weil deiner Reize zeitlicher Ertrag  [sung text not yet checked]
Weil deiner Reize zeitlicher Ertrag ewig im Weltall vorhält, ganz bestimmt, glaub ich, daß die Natur das wiedernimmt, was dir entzogen wird mit jedem Tag, es aufbewahrt, daß sie verinnerlicht ein größres Herz zu Beßrem draus begabe und dies nochmal gestaltet sei - und habe dein engelisches helles Angesicht. Ach, daß der Himmel dann auch aufbewahre, was ich geseufzt, und meine Tränen sammle und alles jener Liebende empfing'. Vielleicht, daß ihm Erbarmen widerfahre durch jene letzte Not, die ich da stammle, und nicht verloren bleibt, was mir entging.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 230
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Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]5. O Nacht zwar schwarze aber linde Zeit  [sung text not yet checked]
O Nacht ! Zwar schwarze, aber linde Zeit mit Frieden überwindend jedes Streben wer Recht sieht und versteht, muss dich erheben, und wer dich ehrt, ist voll Verständigkeit. Du brichst das matte Denken ab, zersägst und nimmst es ein mit feuchter Ruh' und Schwere während du mich, wohin ich oft begehre im Traum von unten ganz nach oben trägst. Schatten des Sterbens ! Nur vor dir macht Halt, was Herz und Seele feind ist, immer wieder. Letzte Bedrückten gute Arznei. Du heilst die schwache fleischliche Gestalt, machst Tränen trocken, legst das Müde nieder und Zorn und Ekel gehen an dir vorbei.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Michelangelo-Übertragungen
Based on:
- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 102
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]