Mit deinen Augen seh ich süßes Licht, das ich mit meinen blinden nicht mehr schaue, und, das ich, lahm, zu tragen mich getraue, mit deinen Füßen trag ich dies Gewicht. Dem Federlosen giebt dein Flügel halt, dein Geist weiß mich zum Himmel zu entfachen, du hast die Macht, mich rot und blaß zu machen, im Froste heiß und in der Sonne kalt. In deinem Willen ist mein Wille drin, mein Denken wird in deiner Brust bereitet, in meine Worte weht dein Atem ein. Es scheint, daß ich dem Monde ähnlich bin, den unser Auge oben nur begleitet, soweit die Sonne ihn versieht mit Schein.
Michelangelo-Zyklus
Song Cycle by Willy Kehrer (1902 - 1976)
1. Mit deinen Augen  [sung text not yet checked]
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 89
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-Verlag, 1927, p.230
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2. Gut zu andern  [sung text not yet checked]
Gut zu den andern, zu sich selber schlecht, entsteht ein niedrer Wurm, der unter Qualen die Hand uns kleiden kann mit seinen Schalen, und erst sein Tod gibt seinem Dasein Recht. Wollte doch so mein Schicksal meines Herrn Lebendigkeit in mein Verbliebnes kleiden ; wie sich die Schlangen aus den Häuten scheiden, verstürb ich und verwandelte mich gern. O wäre meine Haut doch nicht zu hären, Gewand zu sein, und zög sich selig zu um diesen Busen, wenn ich erst vergehe ; dann hätt ich ihn bei Tage. Oder Schuh, die Untersatz für ihn und Säulen wären : so trüg ich wenigstens zwei reine Schneee.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.234
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3. Ich weiß in deinem Antlitz  [sung text not yet checked]
Ich weiß in deinem Antlitz zu gewahren, was Ausdruck kaum in diesem Leben leidet. Die Seele, mit dem Fleische noch bekleidet, ist mehrmals schon damit zu Gott gefahren. Und wenn der Pöbel, klein, gemein und leer, den andern dessen, was er fühlt, bezichtigt, ist tiefer Wille dadurch nicht entwichtigt, nicht Liebe, Treu und ehrliche Begehr. Zum Gnadenquell, aus welchem alle stammen, kommt jede Schönheit. Weil dort mehr sich zeigt, finden sich dort Verständigte zusammen. Nicht andre Früchte gibt es, noch Beweise des Himmels hier. Wer treu Euch liebt, der steigt zu Gott empor und macht den Tod sich leise.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 83
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p236
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4. Seliger Geist  [sung text not yet checked]
Seliger Geist, der das zu Tode alte Herz heißen Eifers mir im Leben hält und der auf mich aus Tausenden verfällt und Edleren, damit er mich erhalte ; warst du einst meinen Augen Gegenwart, so seis jetzt dem Gemüte ; komm und tröste. Hoffnung ist nicht geringer als die größte Sehnsucht, wenn sie mir etwas Leid erspart. Fürbitterin, der ich nun dankend schreibe ; doch wie soll jemals auszudanken sein für deine Hülfen, die mir widerfuhren . Dies ist ein Dank, mit dem ich Wucher treibe, als gäb ich dir die schlimmsten Malerein für schöne und lebendige Figuren
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 79
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.248
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5. Wenn dieses Feuer  [sung text not yet checked]
Wenn dieses Feuer ihrer Schönheit gliche, die unerhört aus Euren Augen bricht, so müßten ganz vereiste Himmelsstriche auf einmal brennend stehn in heißem Licht. Der Himmel aber – denn wir tun ihm leid –, um unser sterblich Leben nicht zu stören, läßt aller Schönheit – Euch darf sie gehören – nur einen Teil in unsre Sichtbarkeit. So gleicht das Feuer nicht der Schönheit stets. Ob einer jene himmlische erkenne, hängt ab davon, wie weit er für sie passe. In meinem Alter aber, Herr, so gehts: wenns scheint, daß ich nicht tödlich für Euch brenne, so brenn ich wenig, weil ich wenig fasse.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 47
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.239
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6. Nicht sterbliches  [sung text not yet checked]
Nicht Sterbliches sahn meine Augen, als in deinen schönen aufging aller Frieden . Nein, eine Seele, Bösem abgeschieden, traf die verwandte, liebend ebenfalls. Wär sie nicht gottgleich, hätte sie Genügen am Außenschönen, daß dem Aug gefällt, nichts mehr begehrend ; doch, weil Bilder trügen, so geht sie über ins Gebild der Welt. Ich sage, das, was stirbt, befriedigt nicht Einen, der lebt. Nicht aus der Zeit genommen wird Ewiges ; sie häutet sich zu sehr. Was seelentödlich aus den Sinnen bricht, ist keine Liebe. Unsre macht vollkommen die Freunde hier und durch den Tod noch mehr.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 52
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.245
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7. Mir einzubilden  [sung text not yet checked]
Mir einzubilden anderes Gebild aus Schatten oder Erde ist mir eben in meinem höchsten Denken nicht gegeben, so daß es wider deine Schönheit gilt. Von dir gekehrt, schein ich mir gleich ganz schwach. Rasch hat der Gott mir allen Wert entzogen. Mein Elend, um die Linderung betrogen, verdoppelt sich und gibt dem Tode nach. So ist es sinnlos, daß ich im erschrocknen Entfliehn beharre und das Gegen- Schöne antreibe. Schnellres holt das Lahme ein. Der Gott kommt selber mir die Augen trocknen, verspricht, daß ich mich aller Not versöhne ; was so viel kostet, kann nicht wenig sein.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime [text unavailable]
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.245
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8. Wie sehr genießt sich  [sung text not yet checked]
WIE sehr genießt sich, froh, von Blumen leicht gefügt, auf Einer goldnem Haar der Kranz, und jede Blume ist beschäftigt ganz, wie sie zuerst den Kopf im Kuß erreicht. Zufrieden ist das Kleid den ganzen Tag um ihre Brust, das unten sich verschwendet, was golddurchwirkt um Hals und Wangen lag, bleibt unablässig an sie angewendet. Doch glücklicher noch fühlt sich jenes Band mit goldnen Nesteln, das die Brust indessen ein wenig drängt, um auf ihr aufzuruhn. Der Gürtel, der sich ungezwungen spannt, sagt, scheints, bei sich : Hier will ich immer pressen. Was würden also meine Arme tun!
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 4
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p243
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9. Sieht durch die Augen  [sung text not yet checked]
Sieht durch die Augen man im Angesicht das Herz, so brauchts nicht anderen Beweis für meine Flamme; Grund genügend seis , mein teurer Herr, daß deine Huld mir spricht. Vielleicht, daß mir dein Geist, noch mehr gewillt, als ich vermute, sieht er, wie ich lauter entbrannt bin, nachgibt, schneller und vertrauter, denn wer gut fleht, wird überaus gestillt. Glückseliger Tag, da dies gesichert schiene ! Mit einem Ruck anhielten in den alten Geleisen Sonnen und gewohnte Zeiten. Mir aber wäre, was ich nicht verdiene : für immer meinen süßen Herrn zu halten in diesen Armen, den ihm weit bereiten.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), appears in Rime, no. 72
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Insel-verlag, 1927, p241
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10. Hätt ich geglaubt  [sung text not yet checked]
Hätt ich geglaubt, es wird, wenn ich sie seh, mir diese Seele gleich zum Neugestalter, durch die ich, wie in seinem höchsten Alter der Phönix, brenne und in Flammen steh, so, wie der schnellste Hirsch, Luchs, Leopard die schlechten flieht und eilt zu guten Orten, zu ihrem Handeln, Lachen, ihren Worten wär ich gestürzt. Spät Eiligsein ist hart. Doch was noch klagen. Seh ich nicht genug in dieses einen heitren Engels Augen Frieden für mich und Ruh und Seligkeit? Vielleicht wärs ärger, ihn zu frührer Zeit gesehn zu haben, ohne ihm zu taugen ; da ich ihm jetzt gewachsen bin im Flug.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Michelangelo-Übertragungen
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- a text in Italian (Italiano) by Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564), no title, appears in Rime, no. 50
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Übertragungen, Leipzig : Insel-verlag, 1927, p.240
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