Du schlimme Uhr, du gehst mir viel zu schnell; und doch - dich schauend, sah ich selber hell. Unschuldig Räderwerk, was schalt ich dich? Ich geh zu langsam, ach zu langsam - ich.
Zwölf Morgenstern-Lieder
Song Cycle by Gary Bachlund (b. 1947)
1. An meine Taschenuhr
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Die Beichte des Wurms
Es lebt in einer Muschel ein Wurm gar seltner Art; der hat mir mit Getuschel sein Herze offenbart. Sein armes kleines Herze, hei, wie das flog und schlug! Ihr denket wohl, ich scherze? Ach, denket nicht so klug. Es lebt in einer Muschel ein Wurm gar seltner Art; der hat mir mit Getuschel sein Herze offenbart.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Die Beichte des Wurms", appears in Galgenlieder
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- DUT Dutch (Nederlands) (Nicolaas (Koos) Jaspers) , "De biecht van de worm", copyright © 2021, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "La confession du ver", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
3. Der Flügelflagel
Der Flügelflagel gaustert durchs Wiruwaruwolz, die rote Fingur plaustert, und grausig gutzt der Golz.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]4. Auf dem Fliegenplaneten
Auf dem Fliegenplaneten, da geht es dem Menschen nicht gut: Denn was er hier der Fliege, die Fliege dort ihm tut. An Bändern voll Honig kleben Die Menschen dort allesamt, und andre sind zu Verleben in süßliches Bier verdammt. In einem nur scheinen die Fliegen Dem Menschen vorauszustehn: Man bäckt uns nicht in Semmeln, noch trinkt man uns aus Versehn.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]5. Möwenlied
Die Möwen sehen alle aus, als ob sie Emma hießen. Sie tragen einen weißen Flaus und sind mit Schrot zu schießen. Ich schieße keine Möwe tot, Ich laß sie lieber leben -- und füttre sie mit Roggenbrot und rötlichen Zibeben. O Mensch, du wirst nie nebenbei der Möwe Flug erreichen. Wofern du Emma heißest, sei zufrieden, ihr zu gleichen.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Möwenlied", appears in Galgenlieder
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Le chant des mouettes", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
6. Der Purzelbaum
Ein Purzelbaum trat vor mich hin und sagte: „Du nur siehst mich und weißt, was für ein Baum ich bin: Ich schieße nicht, man schießt mich. Und trag ich Frucht? Ich glaube kaum; auch bin ich nicht verwurzelt. Ich bin nur noch ein Purzeltraum, sobald ich hingepurzelt.“ Jenun, so sprach ich, bester Schatz, du bist doch klug und siehst uns: – nun, auch für uns besteht der Satz: Wir schießen nicht, es schießt uns. Auch Wurzeln treibt man nicht so bald, und Früchte nun erst recht nicht. Geh heim in deinen Purzelwald, und lästre dein Geschlecht nicht.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Der Purzelbaum", appears in Galgenlieder
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]7. Geiß und Schleiche
Die Schleiche singt ihr Nachtgebet, die Waldgeiß staunend vor ihr steht. Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart wie ein Magister hochgelahrt. Sie weiß nicht, was die Schleiche singt, sie hört nur, daß es lieblich klingt. Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald. Die Geiß geht sinnend durch den Wald.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Geiß und Schleiche", appears in Galgenlieder
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- ENG English (Emily Ezust) , copyright © 2005
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Chèvre et lézard", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
8. Die Probe
Zu einem seltsamen Versuch erstand ich mir ein Nadelbuch. Und zu dem Buch ein altes zwar, doch äußerst kühnes Dromedar. Ein Reicher auch daneben stand, zween Säcke Gold in jeder Hand. Der Reiche ging alsdann herfür und klopfte an die Himmelstür. Drauf Petrus sprach: ‚Geschrieben steht, daß ein Kamel weit eher geht durchs Nadelöhr als Du, du Heid, durch diese Türe groß und breit!‘ Ich, glaubend fest an Gottes Wort, ermunterte das Tier sofort, ihm zeigend hinterm Nadelöhr ein Zuckerhörnchen als Douceur. Und in der Tat! Das Vieh ging durch, obzwar sich quetschend wie ein Lurch! Der Reiche aber sah ganz stier und sagte nichts als: Wehe mir!
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Die Probe", appears in Galgenlieder
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]9. Der Aesthet
Wenn ich sitze, will ich nicht sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte, sondern wie mein Sitz-Geist sich, säße er, den Stuhl sich flöchte. Der jedoch bedarf nicht viel, schätzt am Stuhl allein den Stil, überlässt den Zweck des Möbels ohne Grimm der Gier des Pöbels.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]10. Denkmalswunsch
Setze mir ein Denkmal, eher, ganz aus Zucker, tief im Meer. Ein Süßwassersee, zwar kurz, werd ich dann nach meinem Sturz; doch so lang, dass Fische, hundert, nehmen einen Schluck verwundert. Diese isst in Hamburg und Bremen dann des Menschen Mund. Wiederum in eure Kreise komm ich so auf gute Weise, während, werd ich Stein und Erz nur ein Vogel seinen Sterz oder gar ein Mensch von Wert seinen Witz auf mich entleert.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]11. Wiegenlied
Schlaf, Kindlein, schlaf, am Himmel steht ein Schaf, das Schaf, das ist aus Wasserdampf und kämpft wie du den Lebenskampf. Schlaf, Kindlein, schlaf. Schlaf, Kindlein, schlaf, die Sonne frißt das Schaf, sie leckt es weg vom blauen Grund mit langer Zunge, wie ein Hund. Schlaf, Kindlein, schlaf. Schlaf, Kindlein, schlaf. Nun ist es fort, das Schaf. Es kommt der Mond und schilt sein Weib; die läuft ihm weg, das Schaf im Leib. Schlaf, Kindlein, schlaf.
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- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Galgenkindes Wiegenlied", appears in Galgenlieder
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- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Berceuse de l'enfant du gibet", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
12. Der Tanz
Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule trafen sich im Schatten einer Säule, die im Geiste ihres Schöpfers stand. Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze reichten sich die zwei zum Tanze Fuß und Hand. Und auf seinen dreien rosa Beinen hüpfte das Vierviertelschwein graziös, und die Auftakteul' auf ihrem einen wiegte rhythmisch ihr Gekrös. Und der Schatten fiel, und der Pflanze Spiel klang verwirrend melodiös. Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen, und die Säule schwand, wie sie gekommen war; und so musste denn auch unser Paar wieder in sein Nichts zurücke reisen. Einen letzten Strich tat der Geigerich - und dann war nichts weiter zu beweisen.
Text Authorship:
- by Christian Morgenstern (1871 - 1914), "Der Tanz"
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- DUT Dutch (Nederlands) (Nicolaas (Koos) Jaspers) , "De dans", copyright © 2021, (re)printed on this website with kind permission