O ihr Zärtlichen, tretet zuweilen in den Atem, der euch nicht meint, laßt ihn an eueren Wangen sich teilen, hinter euch zittert er, wieder vereint. O ihr Seligen, o ihr Heilen, die ihr der Anfang der Herzen scheint. Bogen der Pfeile und Ziele von Pfeilen, ewiger glänzt euer Lächeln verweint. Fürchtet euch nicht zu leiden, die Schwere, gebt sie zurück an der Erde Gewicht: schwer sind die Berge. Schwer sind die Meere. Selbst die als Kinder ihr pflanztet, die Bäume, wurden zu schwer längst; ihr trüget sie nicht. Aber die Lüfte... aber die Räume...
Five Rilke Songs
Song Cycle by Peter Lieberson (1946 - 2011)
1. O ihr Zärtlichen  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 4
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- ENG English (Knut W. Barde) , "Sonnet to Orpheus", copyright ©, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
2. Atmen, du unsichtbares Gedicht
Atmen, du unsichtbares Gedicht! Immerfort um das eigne Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht, in dem ich mich rhythmisch ereigne. Einzige Welle, deren allmähliches Meer ich bin ; sparsamstes du von allen möglichen Meeren, -- Raumgewinn. Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon innen in mir. Manche Winde sind wie mein Sohn. Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte ? Du, einmal glatte Rinde, Rundung und Blatt meiner Worte.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 1
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- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Respire, poème invisible !", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
3. Wolle, die Wandlung
Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert, drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt; jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert, liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt. Was sich ins Bleiben verschließt, schon ists das Erstarrte; wähnt es sich sicher im Schutz des unscheinbaren Grau's? Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte. Wehe -: abwesender Hammer holt aus! Wer sich als Quelle ergießt, den erkennt die Erkennung; und sie fuhrt ihn entzückt durch das heiter Geschaffne, das mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt. Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung, den sie staunend durchgehn. Und die verwandelte Daphne will, seit sie lorbeern fühlt, daß du dich wandelst in Wind.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 12
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- ENG English [singable] (T. P. (Peter) Perrin) , copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Désire la transformation", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
4. Blumenmuskel, der der Anemone
Blumenmuskel, der der Anemone Wiesenmorgen nach und nach erschließt, bis in ihren Schooß das polyphone Licht der lauten Himmel sich ergießt, in den stillen Blütenstern gespannter Muskel des unendlichen Empfangs, manchmal so von Fülle übermannter, daß der Ruhewink des Untergangs kaum vermag die weitzurückgeschnellten Blatterränder dir zurückzugeben: du, Entschluß und Kraft von wieviel Welten! Wir, Gewaltsamen, wir währen länger. Aber wann, in welchem aller Leben, sind wir endlich offen und Empfänger?
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 5
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- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Blumenmuskel", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
5. Stiller Freund
Stiller Freund der vielen Fernen, fühle, wie dein Atem noch den Raum vermehrt. Im Gebälk der finsteren Glockenstühle laß dich läuten. Das, was an dir zehrt, wird ein Starkes über dieser Nahrung. Geh in der Verwandlung aus und ein. Was ist deine leidendste Erfahrung? Ist dir Trinken bitter, werde Wein. Sei in dieser Nacht aus Übermaß Zauberkraft am Kreuzweg Deiner Sinne, ihrer seltsamen Begegnung Sinn. Und wenn dich das Irdische vergaß, zu der stillen Erde sag: Ich rinne. Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 29
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- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , no title, copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission