Wohl mir der Stunde, da ich sie erschaute, Die mir das Herz und den Sinn hat befangen. Seit ich die Sinne so ganz ihr vertraute, Daß mich der Lieblichen Tugenden zwangen: Daß ich ihr folge und anders nicht kann, Das hat die Güte, die Schöne gemachet, Und ihr rother Mund, der so minniglich lachet! Hab' ich das Herz und den Sinn doch gewendet Nur auf die Liebe, die Gute, die Reine. Mög' uns nun Beiden wohl werden vollendet, Was ich von ihr zu erwerben noch meine! Was ich von Freuden auf Erden gewann, Das hat die Güte, die Schöne gemachet, Und ihr rother Mund, der so minniglich lachet!
Sechs Lieder , opus 3
by (Johann Gottfried) Heinrich Bellermann (1832 - 1903)
1. Erste Begegnung
Text Authorship:
- by Karl Joseph Simrock (1802 - 1876), "Erste Begegnung"
Based on:
- a text in Mittelhochdeutsch by Walther von der Vogelweide (1170? - 1228?), "Wol mich der stunde"
See other settings of this text.
Note: attribution of translator to Simrock is from the Grimm score.2. Frühlingslied  [sung text not yet checked]
Und als ich aufstand früh am Tag Und meinte, daß es noch Winter sei, Da jauchzte schon mit lustigem Schlag Die [Lerch']1 an meinem Fenster frei: Tirili, tirili! Vom blöden Traum, Langschläfer, bist du endlich erwacht? Du schliefst und merktest das Süße kaum, Denn sacht, denn sacht Ist kommen der Frühling über Nacht. Und als ich schaute zum Himmelsraum, Da war er so blau, da war er so weit; Und als ich [blickt']2 auf Strauch und Baum, Da trugen sie [all']3 ein grünes Kleid. Und als ich sah in die eigene Brust, Da saß die Liebe darin und sang, Was selber so süß ich nimmer gewußt; Das klang, das klang Und soll nun klingen mein Leben lang.
Text Authorship:
- by Emanuel von Geibel (1815 - 1884), no title, appears in Jugendgedichte, in 1. Erstes Buch, in Lieder als Intermezzo, no. 2
See other settings of this text.
View original text (without footnotes)1 Mangold: "Lerche"
2 Mangold: "blickte"
3 Mangold: "alle"
3. Abendlied
Zieh, o Nacht, stille Nacht, Leuchtend auf am Himmelszelt, Blicke her in Sternenpracht Friedlich auf die stille Welt! Kranken und Müden leuchte zur Ruh', Segne mit Frieden, freundliche Du! Wie so klar, wie so mild Blickt auf uns der Abendstern, Reinen Glanzes wie ein Bild, Wie ein milder Blick des Herrn! Freundlicher Schimmer, leut' uns zur Ruh', Segn' uns wie immer, Vaterhand du!
4. Blumenlesen
Winterlich Stürmen die Welt nun bezwang: Falb ist der Wald und die Haide schon lang. Wo doch so lieblich manch Stimmlein erklang, Spielten die Mädchen erst Straßen entlang. Wann, ach wann kehret der Vöglein Gesang! Könnt ich verschlafen im Winter die Zeit! Wach ich derweilen, so tut es mir leid, Dass er regieret so weit und so breit. Endlich doch sieget der Mai in dem Streit: Blumen dann les' ich, wo Schnee nun geschneit.
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author
Based on:
- a text in Mittelhochdeutsch by Walther von der Vogelweide (1170? - 1228?)
Go to the general single-text view
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "Gathering flowers", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
5. Lied des Mädchens  [sung text not yet checked]
Laß schlafen mich und träumen, Was hab' ich zu versäumen In dieser Einsamkeit! Der Reif bedeckt den Garten, Mein Dasein ist ein Warten Auf Liebe nur und Lenzeszeit. Es kommt im Frühlingsglanze Für jede kleine Pflanze Einmal der Blütentag. So wird der Tag auch kommen, Da diesem Frost entnommen Mein Herz in Wonnen blühen mag. Doch bis mir das gegeben, Däucht mir nur halb mein Leben, Und kalt wie Winters Wehn; Trüb schauert's in den Bäumen - O laß mich [schlafen, träumen]1, Bis Liebe mich heißt auferstehn!
Text Authorship:
- by Emanuel von Geibel (1815 - 1884), "Lied des Mädchens"
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "Song of the maiden", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
1 Backer-Grøndahl: "schlafen und träumen"
6. O süsse Mutter  [sung text not yet checked]
O süße Mutter, Ich kann nicht spinnen, Ich kann nicht sitzen Im Stüblein innen, Im engen Haus; Es stockt das Rädchen, Es reißt das Fädchen, O süße Mutter, Ich muß hinaus. Der Frühling gucket Hell durch die Scheiben, Wer kann nun sitzen, Wer kann nun bleiben Und fleißig sein? O laß mich gehen, [O]1 laß mich sehen, Ob ich kann fliegen [Wie]2 Vögelein. O laß mich sehen, O laß mich lauschen, Wo Lüftlein wehen, Wo Bächlein rauschen, Wo Blümlein blühn. Laß mich sie pflücken Und schön mir schmücken Die braunen Locken Mit buntem Grün. Und kommen Knaben [Im]3 wilden Haufen, So will ich traben, So will ich laufen, Nicht stille stehn; Will hinter Hecken Mich [hier]4 verstecken, Bis sie mit Lärmen Vorüber gehn. Bringt aber Blumen Ein frommer Knabe, Die ich zum Kranze Just nötig habe, Was soll ich tun? Darf ich wohl nickend, Ihm freundlich blickend, O süße Mutter, Zur Seit' ihm ruhn?
Text Authorship:
- by Friedrich Rückert (1788 - 1866), no title, appears in Lyrische Gedichte, in 3. Liebesfrühling, in 1. Erster Strauß. Erwacht, no. 72
See other settings of this text.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , copyright © 2021, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Sharon Krebs) , "Oh sweet mother", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English [singable] (Anonymous/Unidentified Artist) , "O dearest Mother"
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "O dolce madre", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
1 Wolf: "Und"
2 Wolf: "Wie's"
3 Wolf: "In"
4 Reinecke: "still"