Herr Bruder, meine Schöne, die sächsische Helene, ist unvergleichlich schön. Die Augen, die sie sehn, die müssen ganz vergaffet stehn. Die griechische Helene war lange nicht so schön. Du sollst sie selber sehn, und dann sollst du gestehn: Nein, sie war nicht so schön.
Oden mit Melodien
by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788)
1. Die sächsische Helene
Text Authorship:
- by Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Schäferlied
Eilt, Ihr Schäfer aus den Gründen, Eilt zu meinem Thyrsis hin, Und, sobald Ihr ihn könnt finden, Sagt, dass ich ihm günstig bin; Sagt, was er mir mitgenommen, Nennt die Freiheit und mein Herz; Sagt er soll auch wiederkommen, Denn man treibt damit nicht Scherz. Ach! wie stellt sein holdes Wesen sich mir in Gedanken vor; Thyrsis bleibet auserlesen unter unserm Schäferchor. Ich vergesse Flur und Herde, ja, ich kenn mich selbsten nicht, weil ich ganz bezaubert werde, wenn man nur von Thyrsis spricht. Denk ich noch, geliebte Seele, an der Stunden schnelle Flucht, wenn ich sie zurückezähle, die mein Geist vergeblich sucht? Denk ich auch der zarten Liebe, die mein Thyrsis blicken ließ, und der fromm’ und reinen Triebe, da er mir mein Herz entriss! Sitz ich unter Tann und Buchen, fällt mir auch mein Thyrsis ein; diesen will ich nur da suchen. Ach! frag ich, wo mag er sein? Da lauf ich durch Flur und Auen, ob mein Schäfer sich versteckt. Doch ich kann der Spur nicht trauen, weil mich alles Wild erschreckt. Nichts kann mir mehr Freude stiften, als wenn ich oft ganz allein auf den bunt beblümten Triften darf mit meiner Herde sein. Fliegt die Taube mit dem Haufen, so bleibt sie doch stets gepaart; keine wird vom Gatten laufen: Das ist treuer Seelen Art! Mir ist weiter nichts geblieben, als dies, dass ich sagen muss, ewig will ich Thyrsis lieben, ewig ist mein fester Schluss. Schöner Wechsel! Süßes Leiden! Thyrsis! ach! du hörest nicht! Ich will auf den Auen weiden, wo ich seh dein Angesicht. Lass ich mich des Abends nieder, spiel ich auf dem Haberrohr, bleibt der Inhalt meiner Lieder Thyrsis’ Name wie zuvor. Ach! du wohnst in meiner Hütte, wenn du gleich entfernet bist, denn ich spür auf jedem Schritte, dass mein Thyrsis bei mir ist. Soll ich mich mit deinem Schatten, weil mein Schicksal widerspricht, unterdes im Traume gatten? Wohl? ich weigre mich auch nicht. Endlich schlägt die frohe Stunde, endlich kömmt der frohe Tag, da ich dich aus Herzensgrunde wiedersehn und küssen mag.
Text Authorship:
- by Christiana Mariana von Ziegler, née Romanus (1695 - 1760), "Schäferlied"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , copyright © 2016, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Karin Fill) , "To Thyrsis", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
3. Lied eines jungen Mägdchens
Noch bin ich jung von Jahren, in Siegen unerfahren, nur Unschuld heißt mir Pflicht. Der Männer Herzen fällen, im Lieben sich verstellen: Die Kunst versteh ich nicht. Wählt, eh der Kunst, zu lügen und Männer zu betrügen, mein Herze sich ergibt. Ich mag nicht andre kränken, nur dem will ich mich schenken, der mich zum Ersten liebt. O fänd ich in der Blüte von fröhlichem Gemüte ein Herz voll Lieb und Treu! Der sollt es glücklich wissen, dass ich so gut zu küssen als fünfzehn ältre sei.
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author ( Fräulein von H. )
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]4. Die Küsse
Dass ich bei meiner Lust durch keinen Zwang mich quäle und meine Küsse niemals zähle, das straft Philet, der schon zu alt zum Küssen ist. „Die Alten“, lehrt er mich, „die pflegten auch zu küssen; allein, nicht aufzuhören wissen, allein, so viel wie du zu küssen, das Laster war noch nicht bei ihnen eingerissen; ich habe selbst weit sparsamer geküsst.“ So soll ich denn, wenn ich, Neära, dich umfange und trunken von der Lust an deinem Halse hange, wenn mein entzückter Geist, der gern sich selbst vergisst, auf deinen Lippen stirbt, mich erst mit Zweifeln plagen, ob auch die Leute sagen, dass ich zu viel geküsst? Neära hört’s und lacht und klopft mir sanft die Wangen und gibt mir einen Kuss voll jugendlicher Glut, dergleichen Mars von Venus nicht empfangen, wenn er in ihrem Arm von Siegen ausgeruht. „Für wessen Urteil denn“, sagt sie, „scheut Thyrsis sich? In dieser Sache wider dich ist ja kein Richter als nur ich.“
Text Authorship:
- by Nikolaus Dietrich Giseke (1724 - 1765)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]5. Trinklied
Den flüchtigen Tagen wehrt keine Gewalt; Die Räder am Wagen entfliehn nicht so bald. Wie Blitze verfliegen, so sind sie dahin. Ich will mich vergnügen, so lang' ich noch bin!
Text Authorship:
- by Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803), "Vorsatz"
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Melanie Trumbull6. Der Morgen
Uns lockt die Morgenröte In Busch und Wald, Wo schon des Hirten Flöte Ins Land erschallt. Die Lerche steigt und schwirret Von Lust erregt; Die Taube lacht und girret, Die Wachtel schlägt. Die Hügel und die Weide Stehn aufgehellt, Und Fruchtbarkeit und Freude Beblümt das Feld Der Schmelz der grünen Flächen Glänzt voller Pracht, Und von den klaren Bächen Entweicht die Nacht. Der Hügel weiße Bürde, Der Schafe Zucht, Drängt sich aus Stall und Hürde Mit froher Flucht Seht, wie der Mann der Herde Den Morgen fühlt, Und auf der frischen Erde Den Buhler spielt! Der Jäger macht schon rege Und hetzt das Reh Durch blutbetriefte Wege, Durch Busch und Klee Sein Hifthorn gibt das Zeichen; Man eilt herbei: Gleich schallt aus allen Sträuchen Das Jagdgeschrei. Doch Phyllis Herz erbebet Bey dieser Lust; Nur Zärtlichkeit belebet Die sanfte Brust Lass uns die Täler suchen, Geliebtes Kind, Wo wir von Berg und Buchen Umschlossen sind! Erkenne dich im Bilde Von jener Flur! Sei stets, wie dies Gefilde, Schön durch Natur; Erwünschter als der Morgen, Hold wie sein Strahl; So frei von Stolz und Sorgen Wie dieses Tal!
Text Authorship:
- by Friedrich von Hagedorn (1708 - 1754), "Der Morgen", first published 1757
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]7. Dorinde
Amor sagte zur Cythere in der ganzen Götterschar, als er zornig auf sie war, dass Dorinde schöner wäre. Die gesamte Götterschar widersprach dem Amor zwar; aber Amor sagte wahr.
Text Authorship:
- by Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]8. Der Stoiker
Ein fauler Feind der Fröhlichkeit auf Erden, ein Stoiker, lag dort und schrie: „Seht, Bürger einer Welt wie die! Welch Glück ist’s, unempfindlich werden!“ Die Weisheit konnt ein Jüngling nicht ergründen; er schwieg, er trank und lacht und schrie: „Seht, Bürger einer Welt wie die! Welch Glück ist’s, schmecken und empfinden!“
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]9. Die Biene
Als Amor in den güldnen Zeiten, In schäferliche Lustbarkeiten Verliebt, auf Blumenfelder lief, Da stach den kleinen Gott der Götter Ein Bienchen, das auf Rosenblätter, Wo es sonst Honig holte, schlief. Durch diesen Stich ward Amor klüger, Der unerschöpfliche Betrüger Sann einer neuen Kriegslist nach. Er lauschte unter Nelk und Rosen; Ein Mägdchen kam, sie liebzukosen. Er floh als Bien heraus und stach.
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It is based on
- a text in German (Deutsch) by Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781), "Die Biene"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]10. Der Zufriedne
Entfernt von Gram und Sorgen erwach ich jeden Morgen, wenn ich vorher die Nacht vergnügend zugebracht. Die Freiheit meiner Seelen ist mir das höchste Gut; und, ohne mich zu quälen, bleib ich bei gleichem Mut. Mich blenden keine Güter, der Fallstrick der Gemüter, die sich um sie bemühn und Kummer an sich ziehn. Mich foltert keine Liebe, mich nimmt kein Ehrgeiz ein; ich wünsche, solche Triebe mir unbekannt zu sein. So bring ich meine Jahre, da ich die Grillen spare, in einer stolzen Ruh vergnügt und munter zu. Geschick, dem ich ergeben, wenn ich im Sterben bin, so nimm mir zwar mein Leben, nur lass mir diesen Sinn!
Text Authorship:
- by Stahl
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See also the version of the poem that Haydn set to music. The two texts share a first stanza but nothing more. They might be disparate selections from a much longer poem.
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11. Amint
Sie fliehet fort! Es ist um mich geschehen! Ein weiter Raum trennt Lalagen von mir. Dort floh sie hin. Komm Luft mich anzuwehen! Du kömmst vielleicht von ihr. Sie fliehet fort! Sagt Lalagen ihr Flüsse, Daß ohne sie der Wiesen Schmuck verdirbt! Ihr eilt ihr nach, -- sagt, daß der Wald sie misse, Und daß ihr Schäfer stirbt! Welch Thal blüht jetzt, von ihr gesehen, besser? Wo tanzt sie um ein Labyrinth? Wo füllt Ihr Lied den Hain? Welch glückliches Gewässer Wird schöner durch ihr Bild? Nur einen Druck der Hand, nur halbe Blicke; Ach, einen Kuß, wie sie mir vormahls gab, Vergönne mir von ihr; dann stürz, o Glücke, Mich, wenn Du willst, ins Grab! So klagt Amint, die Augen voll von Thränen, Den Gegenden die Flucht der Lalagen; Sie scheinen sich mit ihm nach ihr zu sehnen Und seufzten: Lalagen!
Text Authorship:
- by Ewald Christian von Kleist (1715 - 1759), "Amynt"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- DAN Danish (Dansk) (Knud Lyne Rahbek) , "Lalages Flugt"
12. Die verliebte Verzweifelung
Ihr missvergnügten Stunden, wie groß ist eure Zahl! So mehrt nur Schmerz und Wunden und tötet mich einmal! Ihr aber, zarte Triebe, kommt, schlaft nur mit mir ein. Denn dieses, was ich liebe, wird doch nicht meines sein. Du Ursprung meiner Plage, du rührst mich noch zuletzt; die Wollust junger Tage hat lange mich ergötzt. Doch alles wollt ich missen, mein Herz sucht Grab und Ruh; o, drückte nur dein Küssen mein brechend Auge zu.
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author ( Steinheuer? )
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See also the version of the poem that Haydn set to music. The two texts share a first stanza (with one small change) but nothing more. They might be disparate selections from a much longer poem.
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13. Die Küsse
Ein Küsschen, das ein Kind mir schenket, das mit den Küssen nur noch spielt, das bei dem Küssen noch nichts denket, ist nun so was, das man nicht fühlt. Ein Kuss, den mir ein Freund verehret, ist nun so was, das eigentlich zum wahren Küssen nicht gehöret; aus kalter Mode küsst er mich. Ein Kuss, den mir mein Vater gibet, ein wohlgemeinter Segenskuss, wenn er mich lobt und lobend liebet, ist was, was ich verehren muss. Ein Kuss von meiner Schwester Liebe geht insoferne wohl noch an, als ich dabei mit freiem Triebe an andre Mägdchen denken kann. Ein Kuss, den Lesbia mir reichet, aus meiner Klagen Überdruss, und dann beschämt zurückeweichet, ja, so ein Kuss, das ist ein Kuss!
Text Authorship:
- by Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]14. Die märkische Helene
Ehret, Brüder, meine Schöne, ehrt die märkische Helene, Bacchus selber ehret sie! Jüngst an ihrer stolzen Rechte, als er mit uns beiden zechte, ward er (denn sie schenkt ihm ein) voller noch von Lieb als Wein.
Text Authorship:
- by Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]15. Serin
Serin, der hochberühmte Mann, fleht einst den Göttervater an, ihm, um der Welt nurmehr zu leben, gedoppelt Leib und Seel zu geben. Ich, zum Vergnügen nur ein Mann, ich fleh den Göttervater an, mir, um mir selbst nur recht zu leben, Geschmack und Wein zwiefach zu geben.
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]16. Auf der Namenstag der Mademoiselle S.
Das Fest der holden Ernestinen, das heut mit Schmuck und Pracht erscheint, mit Kranz und Wünschen zu bedienen, steht hier das Musenchor vereint. Man scherzt, man singt, die regste Lust erfüllt die anmutsvollen Saiten; unmöglich schweiget meine Brust, mein Saitenspiel soll sie begleiten.
Text Authorship:
- by Anonymous / Unidentified Author
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]17. Der Traum
Es war ein Mägdchen ohne Mängel, es war ein Mädchen wie ein Engel; so hat mich keine noch entzückt. Du magst mir alle Schönen nennen, du magst, du magst für alle brennen: so eine hast du nicht erblickt. Sie war bescheiden, doch nicht blöde, voll strenger Tugend, doch nicht spröde, und witzig ohne Spötterei. Vernünftig und mit weisem Herzen bewies sie mitten bei dem Scherzen, dass sie der Frechheit Feindin sei. Nicht schwatzhaft, nein! voll weiser Lehren ließ sich ihr Mund mit Beifall hören, man hörte nur Beredsamkeit. Sie sprach und ließ sich unterrichten, sie sprach von Wirtschaft, Witz und Pflichten, doch alles mit Bescheidenheit. „O Freund, das Mädchen muss ich küssen! O lass mich ihren Namen wissen, schon ist es um mein Herz geschehn! Wo soll ich nach der Schönen fragen?“ Ach Freund, das kann ich dir nicht sagen: Im Traume hab ich sie gesehn!
Text Authorship:
- by Gottfried Schrenkendorf (1724 - 1782)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]18. Die Tugend
Freund, die Tugend ist kein leerer Name, aus dem Herzen keimt der edle Same, und ein Gott ist’s, der der Berge Spitzen rötet mit Blitzen. Lass den Freigeist mit dem Himmel scherzen, falsche Lehre fließt aus bösem Herzen, und Verachtung allzu strenger Pflichten dient für Verrichten. Nicht der Hochmut, nicht die Eigenliebe, nein, vom Himmel eingepflanzte Triebe lehren Tugend und, dass ihre Krone, selbst sie belohne. Ist’s Verstellung, die uns selbst bekämpfet, die des Gähzorns Feuerströme dämpfet, und der Liebe viel zu sanfte Flammen zwingt zu verdammen? Ist es Dummheit oder List des Weisen, der die Tugend rühmet in den Eisen, dessen Wangen mitten in dem Sterben nie sich entfärben? Ist es Torheit, die die Herzen bindet, dass ein jeder sich im andern findet, und zum Lösgeld seinem wahren Freunde stürzt in die Feinde? Füllt ein Herze Ehrfurcht mit Erbarmen, das dem Unglück reicht die milden Armen, meint mit andern und von fremden Ruten würdigt zu bluten? Selbst die Bosheit ungezäumter Jugend kennt der Gottheit Bildnis in der Tugend, hasst das Gute und muss wahre Weisen heimlich doch preisen. Zwar die Laster blühen und vermehren, Geiz bringt Güter, Ehrsucht führt zu Ehren, Bosheit herrschet, Schmeichler betteln Gnaden, Tugenden schaden. Doch der Himmel hat noch seine Kinder, Fromme leben, kennt man sie schon minder, Gold und Perlen findt man bei den Mohren, Weise bei Toren. Aus der Tugend fließt der wahre Friede, Wollust ekelt, Reichtum macht uns müde, Kronen drücken, Ehre bleibt nicht immer, Tugend fehlt nimmer. Drum, o Damon, geht’s mir nicht nach Willen, so will ich mich ganz in mich verhüllen. Einen Weisen kleidet Leid wie Freude; Tugend ziert beide. Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke, doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, aber nicht erschrecken.
Text Authorship:
- by Albrecht von Haller (1708 - 1777)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]19. Doris
Des Tages Licht hat sich verdunkelt, der Purpur, der im Westen funkelt, erblasset in ein falbes Grau. Der Mond zeigt seine Silberhörner, die kühle Nacht streut Schlummerkörner und tränkt die trockne Welt mit Tau. Komm, Doris, komm zu jenen Buchen, lass uns den stillen Grund besuchen, wo nichts sich regt als ich und du. Nur noch der Hauch verliebter Weste belebt das schwanke Laub der Äste und winket dir liebkosend zu. Die grüne Nacht belaubter Bäume führt uns in anmutsvolle Träume, worein der Geist sich selber wiegt. Er zieht die schweifenden Gedanken in angenehm verengte Schranken und lebt mit sich allein vergnügt. Sprich, Doris! Fühlst du nicht im Herzen die zarte Regung sanfter Schmerzen, die süßer sind als alle Lust? Strahlt nicht dein holder Blick gelinder, rollt nicht dein Blut sich selbst geschwinder und schwellt die unschuldsvolle Brust? Ich weiß, dass sich dein Herz befraget und ein Gedank zum andern saget: Wie wird mir doch? Was fühle ich? Mein Kind! Du wirst es nicht erkennen, ich aber werd es leichtlich nennen; ich fühle eben das für dich. Du staunst. Es regt sich deine Tugend. Die holde Farbe keuscher Jugend deckt dein verschämtes Angesicht. Dein Blut wallt von vermischtem Triebe, der strenge Ruhm verwirft die Liebe, allein dein Herz verwirft sie nicht. Mein Kind, erheitre deine Blicke, ergib dich nur in dein Geschicke, dem nur die Liebe noch gefehlt. Was willst du dir dein Glück missgönnen? Du wirst dich doch nicht retten können. Wer zweifelt, der hat schon gewählt. Der schönsten Jahre erste Blüte belebt dein aufgeweckt Gemüte, darein kein schlaffer Kaltsinn schleicht. Der Augen Glut quillt aus dem Herzen, du wirst nicht immer fühllos scherzen. Wen alles liebt, der liebet leicht. Wie? Sollte dich die Liebe schrecken? Mit Scham mag sich das Laster decken, die Liebe war ihm nie verwandt. Sieh deine freudigen Gespielen! Du fühlest, was sie alle fühlen, dein Brand ist der Natur ihr Brand. Oh, könnte dich ein Schatten rühren der Wollust, die zwei Herzen spüren, die sich einander zugedacht! Du fordertest von dem Geschicke die langen Stunden selbst zurücke, die dein Herz müßig zugebracht. Wann eine Schöne sich ergeben für den, der für sie lebt, zu leben und ihr Verweigern wird zum Scherz; wann nach erkannter Treu des Hirten die Tugend selbst ihn kränzt mit Myrten und die Vernunft redt wie das Herz. Wann zärtlich Wehren, holdes Zwingen, verliebter Diebstahl, reizends Ringen mit Wollust beider Herz beräuscht; wann der verwirrte Blick der Schönen, ihr schwimmend Aug voll seichter Tränen, was sie verweigert, heimlich heischt. Wann sich — allein, mein Kind, ich schweige von dieser Lust, die ich dir zeige, ist, was ich sage, kaum ein Traum. Erwünschte Wehmut, sanft Entzücken: Was wagt der Mund euch auszudrücken? Das Herz begreift euch selber kaum. Du seufzest, Doris! wirst du blöde? O selig! flößte meine Rede dir den Geschmack des Liebens ein. Wie angenehm ist doch die Liebe? Erregt ihr Bild schon zarte Triebe, was wird das Urbild selber sein? Mein Kind, genieße deines Lebens, sei nicht so schön für dich vergebens, sei nicht so schön für uns zur Qual. Schilt nicht der Liebe Furcht und Kummer, des kalten Gleichsinns ekler Schlummer ist unvergnügter tausend Mal. Zu dem, was hast du zu befahren? Lass andre nur ein Herz bewahren, das, wer’s besessen, gleich verlässt. Du bleibst der Seelen ewig Meister, die Schönheit fesselt dir die Geister, und deine Tugend hält sie fest. Erwähle nur von unsrer Jugend, dein Reich ist ja das Reich der Tugend, doch, darf ich raten, wähle mich! Was hilft es, lang sein Herz verhehlen? Du kannst von hundert Edlern wählen, doch keinen, der dich liebt wie ich. Ein andrer wird mit Ahnen prahlen, der mit erkauftem Glanze strahlen, der malt sein Feuer künstlich ab. Ein jeder wird was anders preisen, ich aber habe nur zu weisen ein Herz, das mir der Himmel gab. Trau nicht, mein Kind jedwedem Freier, im Munde trägt er doppelt Feuer, ein halbes Herz in seiner Brust. Der liebt den Glanz, der dich umgibet, der liebt dich, weil dich alles liebet, und der liebt in dir seine Lust. Ich aber liebe, wie man liebte, eh sich der Mund zum Seufzen übte und Treu zu schwören ward zur Kunst. Mein Aug ist nur auf dich gekehret; von allem was man an dir ehret, begehr ich nichts als deine Gunst. Mein Feuer brennt nicht nur auf Blättern, ich suche nicht, dich zu vergöttern, die Menschheit ziert dich allzu sehr. Ein andrer kann gelehrter klagen, mein Mund weiß weniger zu sagen, allein mein Herz empfindet mehr. Wann ungeteilte Brunst im Herzen, wann lang geprüfte Treu in Schmerzen, wann wahre Ehrfurcht dir gefällt; wann für ein Herz dein Herz sich gibet: So bin ich schon der, der es liebet, und der glückseligste der Welt. Mein Kind! erkenne meine Flammen, dein holdes Aug, aus dem sie stammen, kennt sie aus langer Prüfung schon. Hab ich dir immer treu geschienen, so leide, dass ich dir darf dienen; ein einig Wort ist gnug zum Lohn. Was siehst du furchtsam hin und wieder und schlägst die holden Blicke nieder? Es ist kein fremder Zeuge nah: Mein Kind! kann ich dich nicht erweichen? Doch ja, dein Mund gibt zwar kein Zeichen, allein dein Seufzen sagt mir: Ja.
Text Authorship:
- by Albrecht von Haller (1708 - 1777)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]20. Herausforderungslied vor der Schlacht bei Rosbach
Heraus aus deiner Wolfesgruft, furchtbares Heldenheer! Heraus zum Streit in frische Luft, mit Mut und Schlachtgewehr! Wir kleiner Haufe wachen schon und singen Schlachtgesang und wecken dich mit Kriegeston, mit Lärm und Waffenklang. Was schlummerst du? Die träge Rast, schickt die für Helden sich? Wenn du gerechte Sache hast, Warum verkriechst du dich?
Text Authorship:
- by Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]